Noch mehr Ballone und jede Menge alter Steine - Unsere letzten Tage in der Türkei

Von Kappadokien machen wir uns auf ziemliche langweilige 400 Kilometer quer durch die zentralanatolische Hochebene. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft wird abgelöst von riesigen Getreidefeldern und Großbetrieben. Dazwischen wieder Brachflächen mit Steinwüste. Es herrscht ein milchiges Licht über der topfebenen Landschaft. Die wenigen Tank- und Rastplätze wirken wie eine Szenerie aus dem Film „Out of Rosenheim“. Ein bisschen Wildwest-Feeling in der Türkei und zwischen den Zähnen knirscht der Sand.

Da kommt die Stadt Sultanhanı für einen Zwischenstopp wie gerufen. Sie erhebt sich fast schon wie eine Fata Morgana aus der Ebene. Es gibt dort eine alte Karawanserei aus dem Jahr 1229, die den damaligen Reisenden Schutz und Unterkunft bot. Wir können es ihnen nachfühlen und genießen den Besuch nach der Durststrecke durch die Ödnis. Im Inneren können wir eine wunderschöne Teppichausstellung bewundern. Die Stadt Sultanhanı gilt als Zentrum der Teppichrestauratoren, die hier einen würdigen Rahmen finden. Auch sonst zeigt sich der Ort hübsch herausgeputzt mit neuen Plätzen, Moscheen und einladenden Restaurants. Ein geschäftiges Städtchen, in dem auch wir uns ein wenig mit Tee und einem kleinen Happen stärken.

Weiter geht es nämlich durch wenig spektakuläre Regionen, vorbei an der Stadt Aksaray mit dem großen Werk von Daimler Truck, riesigen Zuckerrübenfeldern, deren Ernte in den Zuckerfabriken gleich verarbeitet wird und schließlich der Millionenmetropole Konya. Danach wird es ein wenig abwechslungsreicher, die Zuckerrüben werden von Kartoffelfeldern abgelöst und wir lernen einen ganz besonderen Herrn kennen. Nasreddin Hodscha gilt als türkischer Till Eulenspiegel und ihm werden humorvolle Erzählungen zugeschrieben. Gelebt haben soll er im 13./14. Jahrhundert im Städtchen Akşehir. Ob es ihn tatsächlich gegegen hat? Wer weiß das schon. Jedenfalls ist der Mann mit weißem Bart und Turban dort wahrlich omnipräsent. Es gibt Statuen, Restaurants sind nach ihm benannt und meist sieht man ihn verkehrt herum auf einem Esel sitzend.

Einen Übernachtungsplatz finden wir schließlich abseits der Hauptstraße am Eber Gölü. Einem natürlichen See, der jedoch zu verlanden droht. So wurde am Ende eines recht neuen Damms ein Parkplatz eingerichtet, auf dem wir eine sehr ruhige Nacht verbringen. Laut Google Maps stehen wir dort mitten im Wasser.

Am Abend wundern wir uns noch über seltsame Rufe, die wir im Dunkeln nicht so recht zuordnen können. Aufklärung bietet der nächste Morgen, als eine ganze Kolonie mit Pelikanen über den See gleitet. Richtig große Tiere sind es und es dürften bestimmt 50 und mehr gewesen sein. Ob sie wohl aus Georgien kommen, wo wir sie bereits an der Grenze zu Armenien gesichtet hatten? So oder so ein wunderbarer Anblick und eine wunderschöne Morgenstimmung.

Die Weiterfahrt führt uns nun durch eine recht abwechslungsreiche Seenlandschaft. Dabei passieren wir den Acıgöl, der als zweitgrößter Salzsee der Türkei gilt. Seine Oberfläche schwankt je nach Jahreszeit, weshalb wir auch nicht viel von ihm zu sehen bekommen. An seinem Ufer wird jedoch Salz in großem Stil gewonnen. Je näher wir der Stadt Denizli kommen, desto industrieller wird die Region. Es gibt große Marmor- und Travertinsteinbrüche sowie zahlreiche Textilfabriken. Überall locken Outlet-Center mit Schnäppchenangeboten für Kleidung und Lederwaren.

Schließlich ist ein weiterer touristischer Hotspot erreicht. Unser Ziel ist Pamukkale mit seinen weißen Kalksinter-Terrassen. Dass es dort auch eine antike Ausgrabungsstätte gibt, ist hingegen eher weniger bekannt. Beides zusammen steht auf der UNESCO-Weltkulturerbe Liste. Wir finden einen zentrumsnahen Stellplatz und erkunden das Ganze zu Fuß. Mit 700 Lira (22 Euro) pro Nase ist der Eintritt recht happig, zumal das archäologische Museum extra kostet.

Trotz des touristischen Andrangs selbst in der Nebensaison ist der Besuch lohnend. Strahlend weiß überragen die Terrassen den Ferienort, der hauptsächlich aus Hotels, Restaurants und Souvenirshops besteht. Wörtlich übersetzt bedeutet Pamukkale so viel wie „Baumwollburg“. Tatsächlich wirkt das weiße Massiv wie ein überdimensionaler Watteberg in der Landschaft. Wir wählen den unteren Eingang und stapfen barfuß über die bizarren Gebilde, welche über die Jahrtausende durch das weiter oben entspringende, kalkhaltige Thermalwasser entstanden sind. Überall gibt es kleine Bassins, in denen das warme Wasser türkisblau leuchtet. Baden ist hier jedoch längst nicht mehr möglich, denn das Naturphänomen war durch den Bau eines Hotels und zahllose Touristen gefährdet. Die Hotelanlage zapfte das Thermalwasser ab und die Sinterterrassen wurden grau und unansehnlich. Inzwischen wurde das Hotel abgerissen, Baden ist nur an ausgewählten Stellen sowie im offiziellen Cleopatra-Bad möglich und man darf nur noch barfuß über die Terrassen gehen. Darüber wacht dann auch das strenge Auge des Sicherheitsdienstes.

Auch die Ruinen der antiken griechischen Stadt Hierapolis sind sehenswert. Sie erstrecken sich weitläufig auf dem Hügel oberhalb der Sinterterrassen. Bereits die alten Griechen wussten die Wohltat der warmen Quellen zu schätzen. Neben der Heilwirkung diente das Wasser zum Färben von Wolle, denn die Weberei und der Textilhandel bildeten den Grundstock für den Reichtum der Stadt. Wir schlendern durch verschiedene Tempelbauten, Stadttore, das große Odeon und die Nekropole. Man muss schon gut zu Fuß sein, um alles zu erwandern und auch wir haben unsere Sightseeing-Tour auf die markantesten Teile beschränkt, um rechtzeitig zum Sonnenuntergang zurück an den Sinterterrassen zu sein. Dort sind inzwischen ganze Heerscharen mit Reisebus-Touristen eingetroffen. Mit lautem Geschrei, bewaffnet mit Selfie-Sticks und in Instagram-Posing-Manier blockieren sie die Wege und drängen uns sogar rücksichtslos von einer Bank, als wir uns zum Abschluss noch einen Çay genehmigen. Der Spuk ist schnell vorüber, wenn man sich nur wenige Meter vom oberen Eingang entfernt. Auf unserem Weg hinunter wird es Meter für Meter ruhiger und wir können den Sonnenuntergang dann doch noch in aller Ruhe genießen.

Zum Sonnenaufgang erwartet uns dann erneut ein besonderes Spektakel. Auch hier in Pamukkale starten frühmorgens die Heißluftballone. Nicht ganz so viele wie in Kappadokien und auch nicht ganz so überfüllt, aber trotzdem ein Big Business. Wir genießen das Schauspiel von unserem Stellplatz und können sogar ein Landemanöver direkt vor unserem Mumin beobachten. Punktgenau landet die Gondel auf dem Anhänger eines Pickups. Bis die Passagiere – hier sind es tatsächlich „nur“ 16 pro Gondel – aussteigen dürfen und in den Genuss einer roten Prickelbrause kommen, dauert es eine ganze Weile. Insgesamt bereuen wir es nicht, hier keine Ballonfahrt mit Massenabfertigung zu horrenden Preisen gemacht zu haben. Durch unsere individuellen Fahrten über die Schwäbische Alb und die Loire sind halt doch ein wenig verwöhnt 😉


Alte Steine wohin man auch schaut - Ephesus

Etwa 200 Kilometer trennen uns nun von unserem nächsten, persönlichen Must-have-Seen in der Türkei. Die alten Steine von Ephesus stehen ganz oben auf unserer Rangliste und wir hoffen, angesichts des Bekanntheitsgrades nicht enttäuscht zu werden. Die Strecke dorthin ist nicht wirklich reizvoll. Industriebetriebe, Geothermie-Anlagen sowie Landwirtschaft wechseln sich ab, die Region ist zunehmend dichter besiedelt, alles wirkt moderner und westeuropäischer. Die Vegetation wird mediterran, es gibt Weinfelder, Olivenhaine und Feigenplantagen. An einem Straßenstand erstehen wir noch einmal einen Sack voller Granatäpfel, die ersten Mandarinen, frische Feigen und Nüsse. Dann ist Selçuk und das Ausgrabungsgelände von Ephesus erreicht. Wie erwartet ein touristischer Hotspot. Zu den Reisebusgruppen gesellen sich nun auch die modernen Kreuzfahrer, die an einem der Mittelmeerhäfen anlanden. Erstmals hören wir auch wieder schwäbische Klänge.

Trotz alledem und trotz der auch hier satten Eintrittspreise (700 Lira) sind wir schwer beeindruckt von der antiken Megacity. Einst sollen hier über 200.000 Menschen gelebt haben. Ephesus war bereits eine Hochkultur, noch bevor Rom oder Athen überhaupt auf der Landkarte auftauchten. Einst war dies sogar die reichste Stadt Kleinasiens. Längst ist auch hier noch nicht alles von den Archäologen zutage gefördert. Doch der Rundgang über das Grabungsgelände vermittelt uns einen überwältigenden Eindruck von der Pracht vergangener Zeiten.

Für die Übernachtung müssen wir noch ein kleines Stück weiterfahren zum Strand von Pamucak. Einst war Ephesus eine Hafenstadt, doch der Hafen verlandete, was auch der Grund für den Niedergang der Stadt war. Die nördliche Ägäis liegt heute in rund acht Kilometern Entfernung. Hier finden wir ein schönes Plätzchen mit Sonnenuntergang und Blick auf die griechische Insel Samos, wo wir vor 36 Jahren unsere Hochzeitsreise verbrachten.

Leider offenbaren sich hier am Strand aber auch das gewaltige Müll-Problem sowie das mangelhafte Umweltbewusstsein der Türkei. Jetzt im November ist wenig los, wir stehen in weitem Abstand mit 3-4 weitern Wohnmobilen am mehrere Kilometer langen Strand. Tagsüber kommen die Einheimischen zum Angeln und Picknicken, gegen Abend zum Sonnenuntergang und Fotoshooting. Wo tagsüber die Autos standen, liegen am Morgen Berge von Abfall. Leere Plastikflaschen, Bierdosen, Einweggeschirr, Plastiktüten… Einfach achtlos weggeworfen, trotz vorhandener Müllcontainer, und nachts von den streunenden Hunden zerfleddert. Wie mag es hier erst in der Hochsaison aussehen?

Am nächsten Tag bekommen wir Gesellschaft von der Fraktion "Kuschelcamper". Trotz reichlich Platzangebot am Strand stellt sich ein türkisches Wohnmobil ziemlich dicht neben uns. Die Schiebetür geht auf und als erstes fliegen die Orangenschalen heraus. Ok, das mag ja noch als Biomüll durchgehen. Mein Handtuch am Strand darauf ausbreiten möchte ich trotzdem nicht. Es dauert nicht lange, dann fliegt die leere Chipstüte hinterher. Wenig später plätschert es. Nein – es ist nicht das Meeresrauschen. Die Wohnmobil-Insassen neben uns haben mal eben die Tanks geöffnet und lassen ab, was sich so an Abwasser angesammelt hat. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei – unser Nachbar fährt weiter.

Die Türkei hat wunderbare Landschaften und wäre tatsächlich traumhaft schön, doch selbst die herrlichste Natur wird von der eigenen Bevölkerung schlichtweg versaut. Und je wohlhabender diese zu sein scheint, desto gravierender ist die Ignoranz. Gemäß dem Motto: es wird schon jemand hinter mir aufräumen. Diese Mentalität zu begreifen und nachzuvollziehen fällt uns tatsächlich sehr schwer. Ähnliches haben wir übrigens auch in Marokko erlebt. 


Urlaubsfeeling, schlechtes Wetter und noch mehr alte Steine

Von Ephesus geht unsere Reise weiter, vorbei an der Millionenmetropole Izmir auf die Halbinsel bei Foça. Auf der Autobahn kommen wir auch zügig voran. Izmir zieht sich mit riesigen, modernen Stadtvierteln über mehrere Hänge hinweg. Die Stadt mutet aus der Ferne sehr westeuropäisch an, wir entdecken Marken wie IKEA, Media Markt und weitere, einschlägigen Supermarkt- und Modeketten.

Die Landschaft abseits der Autobahn wird zunehmend mediterran mit Olivenbäumen und kleinen Dörfern, die fast ein wenig griechisch anmuten. Blau-weiß sind die dominierenden Farben. Es wird nun auch touristischer, je näher wir der Küste kommen. Doch scheinen hier überwiegend die Einheimischen in den kleinen Feriensiedlungen zu urlauben. Große Hotelkomplexe sucht man vergeblich. Das Fischerstädtchen Foça präsentiert sich dann auch freundlich und trotz touristischer Prägung sehr angenehm. Jetzt in der Nebensaison ist es recht ruhig und wir bummeln entlang der Hafenbuchten, über die sich der Ferienort erstreckt. Im Hafenbecken entdecken wir blaue Riesenquallen. Solche Monster-Exemplare haben wir tatsächlich noch nie gesehen. Hier tummeln sie sich in großer Zahl und ich möchte lieber nicht ins Wasser springen.

Foça war in der Antike bekannt als die Stadt Phokaia, deren Einwohner als Seefahrer bis nach Spanien segelten, wo sie Handelsstützpunkte errichteten. Noch heute gibt es die vorgelagerten Sirenen-Inseln, die Homer in seiner Odyssee beschrieben hat. Zwar lockt dort nicht mehr der Ruf der Sirenen, doch dafür leben dort die letzten Mönchsrobben des Mittelmeeres. Zu Gesicht bekommen haben wir sie nicht, denn die Inseln sind Naturschutzgebiet und dürfen nicht betreten werden.

Foça kann noch eine alte Genueser-Festung sein Eigen nennen sowie zahlreiche Fischrestaurants an der Promenade. Da lassen wir uns nicht zweimal bitten und genießen zum Ende unseres Türkei-Aufenthalts ein formidables Fischmenü. Besonders lecker sind die verschiedenen Vorspeisen, die wir uns an einer Theke aussuchen können. Allein daran könnte man sich schon sattessen!

Vom uncharmanten Parkplatz in der Stadt ziehen wir noch knapp acht Kilometer weiter zu einem Aussichtspunkt. Das Plateau wäre tatsächlich herrlich mit wunderschönem Blick hinüber zu den Sirenen-Inseln der nördlichen Ägäis. Doch auch hier ist alles übersät mit gebrauchten Feuchttüchern, Plastikflaschen, Scherben… Keine Müllkippe, aber eine Müll-Klippe. Zum Glück wird es schon bald dunkel und wir sehen das Elend vor unserer Tür nicht mehr.

Die Nacht auf unserem Aussichtsplateau ist dann ziemlich unruhig. Es ist eine Schlechtwetterfront im Anmarsch und wir werden vom Wind ordentlich durchgeschüttelt. Die Weiterfahrt über die Foça-Halbinsel ist bei bedecktem Himmel trotzdem ganz nett. Immer wieder schauen wir hinüber auf die vorgelagerten Inselchen, es gibt schöne Sand-/Kiesbuchten, die aber meist von verwaisten Feriensiedlungen und Campingplätzen verbaut sind.

So erreichen wir die Bucht von Aliağa. Schon aus der Ferne sehen wir große Schiffe, die hier vor Anker liegen. Sie gehören zu einem riesigen Industrie- und Hafengebiet mit Chemie- und Stahlwerken. Nicht wirklich schön und die Betriebe scheinen auch nicht auf dem modernsten Stand der Technik zu sein. Herr Habek sollte mal hier vorbeischauen und die Emissionswerte prüfen. Und unsere Klimaaktivisten hätten viel Platz, um sich auf der löchrigen Straße festzukleben. Wieder einmal beschleicht uns das Gefühl, in einer verkehrten Welt zu leben, die allein durch Deutschland nicht zu retten ist.

Das Wetter wird nun zunehmend schlechter, der Wind frischt stark auf und das Wasser der Ägäis trägt weiße Schaumkronen. Kabbelige See nennt sich das wohl. Für uns geht es weiter in Richtung Bergama, oder besser bekannt als Pergamon. Weil sich nun auch dunkle Regenwolken zum Sturm gesellen, verzichten wir auf einen Besuch. In dieser geschichtsträchtigen Region liegen die großen Namen der antiken Ausgrabungsstätten dicht beieinander. Wir wollen dem legendären Troja den Vorzug geben.

Weiter geht es also durch die sogenannte „Oliven-Riviera sowie mehr oder weniger charmelose Ferienstädte. Wie überall an den Mittelmeerküsten dominieren auch hier Appartementsiedlungen, uniforme Einkaufsstraßen, Outlet-Center und Souvenirmeilen. Hinzu kommen Gewächshaus-Plantagen. Alles nicht so prickelnd und der Funke mag hier wie andernorts nicht überzuspringen.

Wir überqueren bzw. unterqueren das Ida-Gebirge, dann ist der Abzweig nach Tevfikiye – besser bekannt als Troja – erreicht. Da wir schon ein wenig spät dran sind, beziehen Quartier vor dem 2018 neu eröffneten Troja-Museum. Der riesige, rostige Würfel erinnert fast ein wenig an die Stuttgarter Stadtbibliothek und soll, glaubt man den Internet-Berichten, eines der modernsten und hochprämierten Museen der Türkei sein. Wir vertreten uns noch ein wenig die Beine im kleinen Dorf, das hauptsächlich vom Mythos Troja lebt, und lassen uns vom abklingenden Sturm samt Donnergrollen in den Schlaf wiegen.

Erster Programmpunkt des nächsten Tages ist dann auch der Museumsbesuch, den man dem unbedingt dem Besuch der Ausgrabungsstätte voranstellen sollte. Der moderne Neubau zeigt Wechselausstellungen sowie Originalfunde aus Troja. Auch wenn der Schatz des Priamos natürlich fehlt. Der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann hat ihn nach türkischer Lesart geklaut und Putin gibt ihn nicht mehr zurück. Zu sehen sind deshalb nur Fotos dieses legendären Troja-Fundes, dessen Geschichte ebenfalls erzählt wird. Die Besucher spazieren durch die unterschiedlichen Epochen der Ausgrabungsgeschichte und der Mythos Troja, der vom Dichter Homer erschaffen wurde, wird ebenfalls anschaulich dargestellt.

Die Ausgrabungsstätte selbst, die wir im Anschluss besuchen, ist eher so naja. Gemessen am Ephesus gibt es hier nicht mehr allzu viel zu sehen und auch das trojanische Pferd liegt bei unserem Besuch in Trümmern darnieder. Es wartet darauf, neu restauriert wieder aufzuerstehen.

Unsere letzte Nacht in der Türkei verbringen wir nur wenige Kilometer weiter am Hafen von Kumkale an der südlichen Einfahrt der Dardanellen-Meerenge. Da es sich hierbei um eine der weltweit meistbefahrenen Wasserstraßen handeln soll, ein toller Platz zum Schiffe gucken. Das tun wir dann auch ausgiebig und googeln ein wenig die spannende Geschichte dieser sagenumwobenen Meerenge. So soll gemäß der griechischen Mythologie Achilleus nach seinem Tod im Trojanischen Krieg in den Fluten des „Hellespont“, wie die Meerenge damals hieß, bestattet worden sein.

Immer schon war dieser strategisch bedeutsame Ort auch Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen. Zuletzt während des Ersten Weltkrieges bei der Schlacht von Gallipoli. Seit 1936 sind die Durchfahrtsrechte vertraglich geregelt. Wir wundern uns jetzt auch nicht, dass direkt hinter uns die Reste zweier Bunker liegen und das gegenüberliegende Ufer von ehemaligen Festungen flankiert wird.

In der Nacht verstärkt sich die Schlechtwetterfront noch einmal. Die Türkei verabschiedet uns an unserem letzten Reisetag mit sintflutartigen Niederschlägen, was uns ein wenig zum Verhängnis wird. Auf dem Weg nach Canakkale müssen wir mehrmals Sturzbäche und überflutete Straßen durchqueren. Von oben schüttet es wie aus Kübeln, von der Seite treibt uns ein heftiger Wind vom Meer an. Nebel und Starkregen verhindern dann auch ein aussichtsreiches Überqueren der neuen, erst im März 2022 eröffneten Hängebrücke über die Dardanellen. Der ganze Stolz der Türkei – die Brücke ist mit 3.623 Metern nicht nur die längste Brücke des Landes, sondern auch die weltweit längste Hängebrücke – hüllt sich in dicke Wolken.

Als wir dann kurz vor der griechischen Grenze noch unsere letzten türkischen Lira unters Volk bringen, der Schreck. Der Mumin ist undicht!!! Der starke Wind hat wohl die Wassermassen durch die Dachluke und die Eingangstür gedrückt. Sitzpolster und Eingangsteppich sind nicht nur angefeuchtet, sondern pitschnass. Wir zweifeln schon an uns selbst, ob wir auch wirklich alle Luken ordentlich verschlossen hatten. Doch das war wohl einfach zu viel des Guten.

Der Grenzübergang bei Ipsala ist im Vergleich zu Edirne sehr entspannt. Aus der Türkei sind wir recht schnell entlassen, dann interessieren sich gleich mehrere griechische Grenzbeamte für uns. Auch Frontex-Soldaten aus Belgien und den Niederlanden sind dabei und sie schauen sich den Mumin sehr gründlich mit einem neuen Wärmebild-Handscanner auf eventuelle blinde Passagiere hin an. Alles jedoch sehr freundlich, man fragt uns nach unseren Reiseerlebnissen, Grenzerfahrungen und wohin die Reise noch gehen soll. Ein netter Smalltalk mit den Beamten und nach 30 Minuten sind wir zurück in der Europäischen Union. Griechenland ist das Land Nummer 7 auf unserer Reise. Davon erzählen wir euch beim nächsten Mal.


Kommentare: 0