Vom Katthult-Hof und unserem Streifzug durch das Land von Astrid Lindgren führte uns die Suche nach einem passenden Übernachtungsplatz in den Nationalpark Norra Kvill. Dort konnten wir mutterseelenallein auf dem Besucherparkplatz übernachten. Vor uns ein kleiner See mit einem Picknickareal samt Grillstellen. Es gibt Trockentoiletten und nur die Mülleimer sind außerhalb der Saison verriegelt. Das Areal ist wunderschön angelegt und ab hier führen zwei ausgeschilderte Rundwanderungen durch den Nationalpark. Seine Besonderheit ist der urwaldartige Nadelwald, der seit über 150 Jahren nicht mehr bewirtschaftet wird. Die ältesten Kiefern dort sollen über 350 Jahre alt sein und einen Umfang von 2,5 Metern haben. Also heißt es für uns, die Wanderstiefel schnüren 😉
Bei weiterhin sonnigem Wetter unternehmen wir die drei Kilometer lange, aber durchaus etwas anspruchsvolle Rundwanderung. Wie uns die Infotafeln verraten, ist der Urwald auch Heimat von Auerhahn und Schwarzspecht. Letzteren bekommen wir dann auch tatsächlich zu Gesicht. Unser Weg führt uns vorbei an umgestürzten Bäumen sowie mächtigen, moosbewachsenen Felsbrocken. Relikte der letzten Eiszeit und Überbleibsel der Gletscherbewegungen. Wir begegnen keiner Menschenseele und wäre ich allein unterwegs, wäre es fast ein wenig unheimlich. So aber genießen wir die Naturgeräusche von zwitschernden Vögeln und summenden Insekten. Hin und wieder plätschern kleine Bäche, wir überqueren Holzstege, die uns über morastiges Gelände führen, klettern unter Baumstämmen hindurch und steigen hinauf zu einem Aussichtspunkt. Er gibt den Blick frei über die bewaldeten Hügel des Smålandes. Dann geht es über felsige Pfade wieder hinunter und wir kommen an zwei dunklen Moorseen vorbei. Faszinierend und mystisch zugleich ist dies eine wunderschöne, fast zweistündige Rundwanderung. Danach genießen wir noch ein wenig die Stille bei einer Teepause am See, bevor unsere Reise weitergeht.
Eksjö ist eine von drei verbliebenen, traditionellen Holzstädten Schwedens. Tatsächlich sind die Häuser in der Altstadt vorbildlich restauriert. Zusammen mit den kopfsteingepflasterten Gassen und vielen Innenhöfen ist es fast schon »hyggelig«, doch leider sind die Bürgersteige trotz des frühlingshaften Wetters schon um 15 Uhr hochgeklappt. Viele Geschäfte sind geschlossen und wir finden auch kein geöffnetes Café für die Fika. Schade eigentlich. Das Leben scheint wie in bislang den meisten kleinen Städtchen erst im Sommer einzukehren. Da unser auserkorener Krankenhaus-Parkplatz zwar zweckdienlich, aber frei von jeglichem Charme ist, fahren wir noch ein paar Kilometer weiter und finden einen wunderbaren Parkplatz an einem Badesee.
Hier legen wir bei frühsommerlichen Temperaturen von fast 20 Grad und Sonnenschein spontan einen Nix-tun-Tag ein. Naja, fast nix tun. Ein wenig Haushalt schadet nicht, doch wir verbringen den Großteil des Tages auf der Liegewiese und geraten bald ins Staunen. Obwohl wir morgens noch Bodenfrost hatten, eröffnen die Schweden am Nachmittag die Badesaison. Putzmunter stürzen sie sich in den a….kalten See. Was sind wir doch für Weicheier…
Beim Chillen am Badesee kam es noch zu spontanen Planänderungen. Die erste und damit auch gravierendste Änderung ist die unserer weiteren Reiseroute. Nachdem wir bereits die ersten Globetrotter getroffen haben, die auf ihrem Weg in Richtung Norden wegen winterlicher Verhältnisse wieder kehrt gemacht haben, streichen wir die geplante Ostsee-Umrundung über Finnland, das Baltikum und Polen. Es würde tatsächlich mit sehr viel Fahrerei verbunden sein. Zudem – so die Berichte der Reisenden – wären die Wege zu schönen Plätzen und Sehenswürdigkeiten im Norden momentan sehr aufgeweicht und matschig und deshalb für Fahrzeuge über vier Tonnen gesperrt. Pech für uns, aber macht ja auch Sinn.
Da wir aber ein wenig von Land und Leuten sehen möchten, werden wir uns jetzt auf Schweden beschränken und nur so weit in Richtung Lappland fahren, wie es noch sinnvoll ist. Der Rückweg soll dann entweder wieder per Fähre ab Trelleborg oder durch Dänemark gehen. Schaun mer also mal.
Eine weitere Planänderung ist hingegen unsere unmittelbare Fahrtroute, die wir eigentlich entlang der Ostseite des Vättern-Sees geplant hatten. Stattdessen geht es jetzt zum Hornborgasjön. Der See ist ein Naturschutzgebiet, liegt zwischen den beiden großen Seen Vättern und Vänern und gilt als das weltweit größte Kranich-Rastgebiet. Die Frühlingssaison, wenn die Kraniche auf ihrem Weg aus dem Süden zurück in ihre Brutgebiete im Norden sind, ist zwischen Ende März und Ende April – als genau JETZT. Das möchten wir uns dann doch nicht entgehen lassen. Auch auf die Gefahr hin, keine Kraniche mehr anzutreffen.
Auf dem Weg zu den Kranichen legen wir jedoch einen Zwischenstopp am Südufer des Vättern-Sees in Husqvarna ein. Die Stadt ist bekannt für das gleichnamige Werk, um das herum die Stadt überhaupt erst entstanden ist. Ursprünglich war dies eine kleine Waffenfabrik, die Gewehre für die Jagd und später das Militär produzierte. Wir verbinden Husqvarna in erster Linie mit Motorsägen und Rasenmähern, doch beim Besuch des sehenswerten Museums geraten wir angesichts der Produktpalette ins Staunen. Nicht nur Motorräder, Fahrräder, Rasenmäher und anderes Männerspielzeug wurde hier im Lauf von mehr als 300 Jahren Firmengeschichte hergestellt. Man dachte auch an die weibliche Kundschaft. Schon früh kamen die ersten Nähmaschinen auf den Markt und spätestens in den 1950er Jahren stattete Husqvarna die Haushalte mit nützlichen Helfern aller Art aus. Spülmaschinen, Herde, Öfen, Küchenmaschinen, Fleischwolf und Co. Spannend ist zudem, wie zeitlos modern so manches Design bis heute geblieben ist.
Dann wird es aber Zeit für die Kraniche. Einen Stellplatz finden wir direkt am Naturparkzentrum südlich von Skara. Dort haben wir den wohl besten Blick auf den Kranichsee und sie sind tatsächlich da. Bei unserer Ankunft sind wir der einzige Camper, doch das soll sich bald ändern. Trotz jeder Menge Platz für alle gibt es auch Kuschelcamper, die sich noch neben uns hineinquetschen….
Gegen eine »Spende« von 150 Skr während der Kranichsaison darf man hier übernachten und wir berappen den Obolus gerne. Erleben wir doch ein ganz besonderes Naturschauspiel. Die Kraniche werden im Frühjahr »angefüttert«, um sie im Naturpark zu halten und gleichzeitig die Aussaat der Landwirte zu schützen. In Spitzenzeiten werden hier bis zu 20.000 der eleganten Vögel gezählt. Der Höhepunkt scheint um den 7. April herum gewesen zu sein, doch bei unserem Besuch sind laut Angaben des Infocenters immer noch rund 1.500 Kraniche da.
Ein besonderes Schauspiel ist der »Kranichtanz«. Er gehört zum Paarungsritual der Kraniche, die in der Regel ein ganzes Leben lang zusammenbleiben. Wir mögen uns gar nicht satt sehen an dem teils lautstarken Spektakel und erleben einen dieser berühmten Gänsehautmomente.
Unsere nächste Reiseetappe soll uns zum Göta-Kanal führen. Die Wasserstraße stand von Anfang an auf unserer Schweden-Bucket-List. Wie es uns dort ergangen ist, erzähle ich beim nächsten Mal.