Nach unserer Ankunft in Schweden lassen wir es gemütlich angehen. Unser Stellplatz mit Blick auf die Ostsee und das frühlingshafte Wetter laden auch dazu ein. Zunächst steht die Erkundung des Städtchens Ystad auf dem Programm. Krimifans wird die Stadt und ihr Kommissar Kurt Wallander aus den Romanen von Henning Mankell sicherlich ein Begriff sein. Auf uns macht sie allerdings einen sehr friedlichen Eindruck und ist weit entfernt von dem düsteren Skandinavien-Krimi-Image.
Den Aufenthalt im Städtchen möchten wir nutzen, um uns mit ein wenig Bargeld in Landeswährung zu versorgen und gelangen dabei gleich zu einer ersten Erkenntnis. Die Suche nach einem Geldautomaten erweist sich als schwierig – hier bezahlt man bargeldlos. Einen kleinen Notgroschen hätten wir aber schon ganz gerne mit dabei und nach mehreren Anläufen ergattern wir tatsächlich 600 Schwedische Kronen, umgerechnet etwa 60 €. Dann gibt es noch eine Fika-Pause mit Zimtschnecke und Schokoladenkuchen auf der Terrasse eines Cafés. So gefällt uns Schweden.
Zurück auf unserem Stellplatz machen wir Bekanntschaft mit Joachim aus Markgröningen. Er ist Vollzeit-Reisender, arbeitet von unterwegs und wir verbringen den Nachmittag mit dem Austausch von Reiseerlebnissen. Wieder einmal eine schöne und bereichernde Begegnung.
Das Wetter erhält weiterhin 5 Sterne. Somit satteln wir die Fahrräder und radeln zu den mysteriösen Ales Stenen. Die Hinkelsteine in Form eines Schiffes auf einer Klippe über dem Meer geben den Forschern Rätsel auf. Sonnenuhr? Wikingergrab? Orientierungspunkt für Seefahrer? Normalerweise ein Besuchermagnet, aber wir sind fast alleine da. Wir genießen den Weitblick und die Stille, die nur vom Zwitschern der Vögel und dem Summen der Insekten »gestört« wird.
Im Hafen hat eine Fischräucherei mit Restaurant geöffnet. Da lassen wir uns nicht zweimal bitten und stärken uns mit Fish’n Chips sowie gebratenem Hering mit Kartoffelbrei und köstlichen Preiselbeeren.
Zurück radeln wir über verstreute Höfe inmitten riesiger Felder, einsame Wege und durch den Küstenwald. Am Ende stehen 46 Kilometer auf dem Tacho. Keine schlechte Bilanz für die erste Fahrradtour des Jahres.
Uns zieht es weiter gen Norden. Da wir nun bereits eine Woche unterwegs sind, müssen wir uns aber zunächst einem etwas anrüchigen Thema widmen. Unsere Grau- und Schwarzwassertanks sind fast voll. Kein ganz einfaches Unterfangen in Schweden, wie wir alsbald erstaunt feststellen müssen. Die Infrastruktur mit Ver- und Entsorgungsstationen scheint ziemlich lückenhaft zu sein. Damit hätten wir tatsächlich nicht gerechnet, zumal ja auch viele Schweden mit ihren teils großen Campern unterwegs sind.
Der kommunale Bauhof neben unserem Stellplatz in Ystad verweist uns an die Marina, die aber noch geschlossen hat. Von dort fahren wir nach Simrishamn und fragen auf dem Tourismusbüro nach. Wir ernten ein bedauerndes Schulterzucken und man verweist uns erneut an die dortige Marina. Doch hier ist nur der Ausguss von Kassettentoiletten möglich. Immerhin erhalten wir den Tipp zu einem Campingplatz, wo wir uns schließlich für 15 € »erleichtern« können. Für diesen Preis füllen wir gleich auch den Frischwassertank randvoll. Sicher ist sicher 😉
Etwas entspannter können wir uns nun dem Sightseeing widmen. Simrishamn, die Hafenstadt der Heringsfischer, macht einen sehr verschlafenen Eindruck auf uns. Trotzdem ist der Bummel ganz nett. Besonders gut gefällt es uns im südlichsten Nationalpark Stenshuvud. Er ist nicht besonders groß und wir vertreten uns bei einer kleinen Wanderung die Beine. Auch hier sind wir fast allein unterwegs. Der Frühling kommt mit aller Macht und überall blühen wilde Osterglocken, Sternhyazinthen und Buschwindröschen. Hier im Nationalpark bedecken Küchenschellen eine ganz Wiese.
In Kivik steuern wir ein Wikingergrab an. Es ist, wie auch das benachbarte Mühlencafé aber noch in der Winterpause. Kivik ist darüber hinaus eine Hochburg des Apfelanbaus und mehrfach wurde uns ein Besuch der dortigen »Mosteri« empfohlen. Da wir aber weder zuhause große Fans des schwäbischen Mosts sind und uns auch in Nordspanien der Sidra nicht wirklich vom Hocker zu reißen vermochte, verzichten wir auf die schwedische Version des Apfelweines.
Auf der Suche nach einem passenden Übernachtungsplatz landen wir schließlich beim »Christinehofs Slott«. Dort können wir sehr herrschaftlich inmitten ruhiger Natur mit Blick auf das adlige Anwesen nächtigen. Gestört werden nur von »Rzwo-Dzwo« und seinen Kollegen. Einer der fleißigen Roboter-Rasenmäher zieht unermüdlich vor sich hin ratternd seine Runden vor dem Mumin. Bei Einbruch der Dunkelheit ist das Kerlchen sogar mit Schweinwerfern ausgestattet 😉
Bauherrin des repräsentativen Barockschlosses war Gräfin Christina Piper. Sie ließ es 1741 erbauen und war zu damaliger Zeit eine der einflussreichsten Unternehmerinnen Südschwedens. Nachdem ihr Ehemann in den Krieg gezogen war, nahm sie die Zügel in die Hand, kaufte die heruntergekommenen Alaun-Schieferbrüche der Umgebung auf und machte sie zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Unternehmen. Alaun wurde unter anderem zum Färben von Stoffen und Papier verwendet. Zeitweise waren hier bis zu 900 Angestellte beschäftigt, für die die Gräfin auch soziale Verantwortung übernahm. Sie baute Schulen und ein Krankenhaus sowie eine Arbeitersiedlung für die Familien.
Heute hat sich die Natur die Relikte des Alaun-Schieferabbaus zurückerobert und es ist als Naturschutzgebiet »Christinehofs Ekopark« ausgewiesen. Wir unternehmen dort eine wunderschöne Wanderung zum höchsten Wasserfall Südschwedens, dem Hallamölla, der sich über mehrere Stufen 23 Meter in die Tiefe stürzt. Genusswandern pur durch lichte Wälder, eine faszinierende Auenlandschaft und vorbei an Fischweihern und Teichen.
Das Christines Slott ist heute auch ein Kulturzentrum. Es finden hochkarätige Konzerte statt und beim Abendspaziergang sehen wir die Plakate der Rock-Größen. Von Brian Adams über Bob Dylan bis Roxette – alle waren sie schon da. Uns gefällt es so gut, dass wir eine zweite Nacht im Schlosspark verbringen und den Rufen von Gänsen, einem Käuzchen und einem Storch lauschen.
Über die Schnellstraße E22 fahren wir 160 Kilometer nordwärts nach Karlskrona. Zwischenstopps legen wir keine ein, obwohl es vorbei an Schwedens tiefstem Punkt und der Region der Lachsflüsse geht. Da fällt es fast schon ein wenig schwer, nicht in den Recherche-Modus zu verfallen.
In Karlskrona beziehen wir Quartier am Handelshafen mit Blick aufs Wasser. Zwar landen wir in der zweiten Reihe, doch dafür stehen wir zentrumsnah und berappen 223 Kronen (ca. 20 €) für einen einfachen Parkplatz. Nun ja, der Platz scheint bei den Schweden beliebt zu sein und ist am Abend ausgebucht. Kuschelcamping wird hier übrigens nicht geschätzt. Immer wieder sehen wir Schilder und hier sogar Abstands-Poller, die auf die Einhaltung eines Mindest-Abstands von 4 Metern aus »Brandschutzgründen« hinweisen. Uns soll es recht sein.
Für die Bezahlung der Stellplätze gibt es in Schweden Apps in allen Varianten. Hier läuft tatsächlich alles digital. Die Bezahlung bargeldlos, selbst für Kleinbeträge. Auch für öffentliche Toiletten gibt es Apps und das Smartphone ist in Schweden ein Sesam-öffne-dich. Hinsichtlich der Digitalisierung kann sich unser Ländle eine Scheibe abschneiden. Und wir digitale Dummies lernen hier noch einiges dazu.
Karlskrona ist eine Hafenstadt inmitten einer Schärenlandschaft und soll sich auf 33 Inseln und Inselchen verteilen. Außerdem ist sie Marine-Stützpunkt und UNESCO-Welterbe. Der Bummel durch die Stadt entlockt uns dann aber keine Begeisterungsstürme. Vielleicht liegt es am bedeckten Himmel und dem eisigen Wind, der für gefühlte Minustemperaturen sorgt. Wahrscheinlich offenbart sich das Flair der Stadt eher im Sommer. Jetzt aber wirkt alles ein wenig verschlafen, der Putz an den Gebäuden des Hauptplatzes bröckelt und auf den Besuch des weltgrößten Marinemuseums verzichten wir. Somit bleibt es bei einer Kaffeepause – der Fika – mit Zimtschnecke und meinem neuen Favorit Kardamom-Schnecke. Auch der Latte Saltet Caramel ist eine Entdeckung 😉
Einen Pluspunkt verdient Karlskrona dann doch. Es gibt eine super anfahrbare, kostenlose und funktionierende Ver- und
Entsorgungsstation, die wir natürlich gleich aufsuchen
😉 Wir fahren noch hinaus zu einigen Schäreninseln, die mit Brücken erschlossen sind. Bezaubernd sind die kleinen Siedlungen
und Schwedenhäuser mit Garten und Holzschuppen. Michel aus Lönneberga, wohin man auch schaut und eines schöner als das andere. Da möchte man gerne bleiben. Auf der Insel Turkjö endet die Straße
an einem Fähranleger, der hinüber zu einer Militärbasis führt. Das Wetter ist nun leider auch bewölkt, so dass wir wieder kehrt machen und 90 Kilometer weiter nach Kalmar fahren.
Kalmar ist eine der ältesten Städte Schwedens und überzeugt uns auf Anhieb mehr als Karlskrona. Das mächtige Schloss von Kalmar, die hübsche Altstadt mit Dom und repräsentativen Gebäuden sowie etliche kleine Geschäfte, die zum Bummeln und Shoppen einladen. Leider ist heute Sonntag…
Unseren Übernachtungsplatz finden wir etwas außerhalb der Stadt neben der Brücke, die hinüber zur Insel Öland führt. Es gibt einen kleinen Badestrand und ein Naturschutzgebiet, wo wir uns noch ein wenig die Beine vertreten. Alles eigentlich ganz nett, wäre da nicht eine Baustelle mit Containern direkt unterhalb der ersten Brückenpfeiler. Frank beschwichtigt und meint, dass vor Montagmorgen bestimmt keine Arbeiten stattfinden würden. Sprachs und kaum, dass es dunkel ist, dröhnen draußen die Motoren. Ein Tieflader rückt an, dazu mehrere Baustellen-Fahrzeuge. Ob die hier wohl eine Nachtbaustelle einrichten???? Weiterfahren und im Dunkeln auf Stellplatzsuche gehen???
Da neben uns zwei schwedische WOMOs parken, deren Besitzer tiefenentspannt beim Glas Wein sitzen, warten wir erstmal ab. Das Spektakel dauert nicht lange, dann hat der Tieflader zwei Bagger abgeladen und es kehrt Stille ein. Somit verbringen wir eine außerordentlich ruhige Nacht fast unter der Brücke, über die es weiter zur Insel Öland geht. Doch davon berichten wir dann beim nächsten Mal.