In Kaspi dürfen wir unser Team UAZ in Empfang nehmen. Die Wiedersehensfreude mit unseren Mädels sowie Katrin und Thomas ist groß. Ab sofort sind wir mit drei Fahrzeugen zu siebt unterwegs in Georgien. Svetlana und Andreas von www.uazfamily.com haben uns ein perfektes Roadbook für die kommenden zwei Wochen ausgearbeitet. Den Auftakt macht der Besuch im Weingut Merebashvili’s Marani in Kaspi. Dort werden wir von Lasha herzlich empfangen. Er erklärt uns mit viel Humor die Herstellung seiner Weine, dann bekommen wir zur Verkostung ein köstliches, georgisches Essen serviert. Die Überraschung ist schließlich eine nachträgliche Geburtstagstorte für mich!!! Ein gelungener erster Abend und vielversprechender Auftakt zu unserer gemeinsamen Georgien-Erkundung.
Nach einem gemeinsamen Frühstück und diversen Einkaufs- und Tankstopps geht es in Richtung Großer Kaukasus. Vor uns liegt mit rund 180 Kilometern die längste Tagesetappe, die gleich mit einigen Überraschungen gespickt ist.
Die erste ist die, dass weder unsere Landkarte noch unsere Navi-Susi die neue (???) Straße nach Oni kennen. Google Maps leitet uns jedoch souverän durch unbekanntes Terrain. Für das Mittagessen finden wir einen schönen Rastplatz am Fluss. Es dauert nicht lange, dann steht auch schon ein Mann da. Erst beäugt er unsere doch etwas ungewöhnliche Reisegruppe neugierig, dann kehrt er mit einer Flasche zurück, die mit einer gelblichen Flüssigkeit gefüllt ist. Die Geruchsprobe lässt auf Hochprozentiges schließen. Er drückt sie uns freudestrahlend in die Hände und wünscht uns gute Reise. Madloba – Vielen lieben Dank!!!
Wenige Kilometer später starten wir zu unserem ersten Ausflug ins Gelände. Den Mumin lassen wir stehen und steigen um in die beiden UAZ. Das Dorf, durch welches uns der Weg führt, ist sehr eng und ursprünglich. Die teils verfallenen Häuser lassen auf einen gewissen einstigen Wohlstand schließen. Hübsche Holzschnitzereien an den Fassaden, schmiedeeiserne Balkone und große Fensterfronten. Heute liegt hier aber der sprichwörtliche Hund begraben und wir sehen nur wenige Menschen. Unser Feldweg hinaus in die Natur wird immer holpriger. Zur Freude der UAZ-Besatzung folgt eine kleine Bachquerung, dann eine sehr steile, felsige und lehmige Passage. Hier geben wir auf. Der UAZ würde es vielleicht schaffen, aber der Mensch denkt und der Tag ist bereits fortgeschritten. Wir haben noch ein Stück Wegstrecke vor uns.
In Oni dann die nächste Überraschung. Unsere Straße ist wegen Bauarbeiten gesperrt. Umleitung??? Laut Google gibt es keine Ausweichroute. Ausgeschildert ist auch nichts. Kurzzeitig ist guter Rat teuer. Wir fahren also in die Gegenrichtung und finden einen wunderbaren Übernachtungsplatz am Fluss mit Schutzhütte und umgeben von Bergen. Genau richtig, um trotz Gewitterregen trocken Pasta und Sauce zu kochen.
Am nächsten Morgen herrscht eitel Sonnenschein und wir starten einen erneuten Anlauf, Oni zu erreichen. Bei Tageslicht und aus der anderen Richtung entdecken wir dann doch noch die Umleitung. Ausgeschildert mit einem Pappschild, drei handgeschriebenen georgischen Buchstaben und einem Pfeil nach links. Was wir am Vorabend als Baustellen-Ausfahrt interpretierten, ist tatsächlich der Weg nach Oni. Etwas abenteuerlich, aber wir kommen fast rechtzeitig zu unserem Filz-Workshop. Wir sind zu Gast in einer kleinen Werkstatt, wo wir unter Anleitung netter, junger Georgierinnen schöne Filzbilder herstellen. Die Bedingungen sind wegen eines Stromausfalls etwas erschwert, aber draußen brummt bald ein Generator und wir haben Licht.
Im Anschluss besuchen wir noch das etwas angestaubte Heimatmuseum. Es soll bald in einen Neubau umziehen. Trotzdem zeigt man uns mit großem Stolz die teils noch sehr sowjetisch anmutenden Exponate. Die Museumsleiterin wirkt sowjetisch-streng und rattert ihre Erklärungen herunter, so dass auch unsere junge Dolmetscherin ein wenig bremsen muss. Da wir jedoch Interesse zeigen und beim einen oder anderen Stück nachfragen, huscht sogar ein Lächeln über ihr Gesicht.
Da unsere Route nun ziemlich nah an die russische Grenze führt, benötigen wir für die Weiterfahrt ein Permit der Grenzpolizei. Das Prozedere zieht sich etwas in die Länge, wir trinken derweil Kaffee und unterhalten uns nett mit den Polizisten. Sie zeigen uns, wohin wir fahren dürfen und ab wo der Mumin zu dick, zu schwer und zu groß ist.
Bei der Weiterfahrt durch das Tal fällt uns das schlammige Wasser im Fluss Rioni auf. Auf den Brücken stehen Polizeiposten und schauen ins Wasser, als würden sie etwas suchen. Auch das Flussbett sieht ziemlich durchwühlt aus und liegt voller Geröllmassen. Wir haben uns als Übernachtungsplatz eine Lichtung ausgeguckt, doch die eigentlich gut ausgebaute Straße endet schlagartig. Wir erfahren, dass es hier Anfang August nach langen Regenfällen einen gewaltigen Erdrutsch mit Moränen-Abgang vom Gletscher gab. Mehrere Dörfer wurden in Mitleidenschaft gezogen, des gab Tote und es werden immer noch gut ein Dutzend Menschen vermisst. Das erklärt die Beobachtungsposten auf den Brücken.
Wir machen kehrt, denn unser auserkorener Übernachtungsplatz ist wohl auch nicht mehr da. Stattdessen finden wir am Ortsrand ein schönes Plätzchen, können ein erstes Lagerfeuer entzünden, haben Gesellschaft von freundlichen Hunden und wenig später auch von Georgiern. Sie bringen Bier mit, setzen sich zu uns und erzählen von der Katastrophe. Die Mutter des einen Mannes gilt noch als vermisst. Ein auch für uns bedrückendes Gefühl.
Der nächste Tag begrüßt uns mit Kaiserwetter und stahlblauem Himmel über den bereits weiß gepuderten Berggipfeln. Heute steht ein Offroad-Ausflug hinauf zu den Gletschern auf dem Programm. Nicht Mumin-tauglich, aber wir haben ja die beiden UAZ dabei. Mit ihnen rumpeln wir hinauf auf den Notsara-Pass. Eigentlich denken wir, dass hier außer uns niemand unterwegs wäre. Doch irgendwo im Nirgendwo kommt uns ein Jeep entgegen. Die Insassen, zwei Jäger, haben ihre Flinten quer auf den Knien liegen. Als wir auf die Frage „Russki?“ mit Nein antworten, sind sie hocherfreut und prosten uns mit ihren Flachmännern zu.
Oben angekommen genießen wir ein spektakuläres Panorama auf die Gletscherwelt des Großen Kaukasus. Doch auch hier ist der
Rückgang der Gletscher deutlich zu erkennen. Dennoch überkommt uns beim Anblick der mächtigen 4.000er Gipfel ein Gefühl der Ehrfurcht ein wenig Demut. Welch eine Erhabenheit. Wir mögen uns an
dieser wunderbaren Bergkulisse gar nicht sattsehen, doch irgendwann heißt es den Rückweg antreten.
So hoppeln wir wieder bergab, was deutlich schneller geht als bergauf. Zurück am Mumin gibt es wieder einen wunderbaren Lagerfeuer-Abend mit Eintopfsuppe und in Begleitung eines äußerst hübschen und anhänglichen jungen Kalbes.
Von den Höhen des Großen Kaukasus geht es hinunter in tiefer gelegene Regionen. Der Fluss Rioni bleibt dabei unser Begleiter und wir erreichen eine liebliche Weingegend. Die Landschaft ist grün mit etlichen Nuss- und Obstbäumen, an den Hängen ziehen sich Weinfelder empor, in denen hübsche Holzhäuser stehen. Ein solches traditionelles Weingut dürfen wir bei Ambrolauri besuchen. Mariam zeigt uns den liebevoll restaurierten Familienhof, erklärt uns die Weinherstellung und bewirtet uns im aussichtsreichen Garten mit Trockenfrüchten und Wasser aus der eigenen Quelle. Der heutige Tag ist tatsächlich sehr warm und die Erfrischung kommt uns sehr gelegen. Ein wahrlich paradiesisches Fleckchen Erde, an dem es sich länger verweilen lässt.
Doch wir müssen weiter und streben als Tagesziel den Green Lake an. Dort soll es frische Forellen geben. Manchmal kommt es jedoch anders, als man denkt. Die Strecke führt uns hinein in eine spektakuläre Schlucht, die dem Mumin allerdings wegen zwei stark überhängenden Felswänden eine Weiterfahrt verwehren. Durchfahrtshöhe maximal 2,80 Meter. Wenden? Unmöglich. Also manövriert Frank unter Mithilfe aller Beteiligter inklusive einer Polizeistreife etwa anderthalb Kilometer zurück in den Ort. Liebes georgisches Verkehrsministerium – ein Hinweis mit Höhenangabe wäre an dieser Stelle echt hilfreich gewesen.
Für uns ist guter Rat teuer, aber nur kurz. Wir steuern einen genialen Übernachtungsplatz am Fluss an, der uns noch Abendsonne beschert, entzünden ein Lagerfeuer und genießen einen schönen Grillabend in Gesellschaft eines äußerst lieben, jungen Hundes. Erst ist er total verschüchtert und zuckt bei jeder Bewegung zurück. Dann wird er zunehmend zutraulich, nimmt dankbar einige Futterbrocken an und liegt uns später am Feuer zu Füßen.
Am nächsten Tag trennen sich unsere Wege. Team UAZ nimmt die Strecke über Tsageri zum Green Lake, hat unterwegs ein wenig Offroad-Spaß und organisiert dort die Forellen. Team Mumin fährt einen kleinen Umweg und legt einen Kulturtag ein. Wir fahren durch eine waldreiche, bergige Region, kommen vorbei am Stausee Shaori-Reservoir und können trotz bedecktem Himmel einen letzten Blick zurück auf den Großen Kaukasus werfen.
So erreichen wir das Kloster Gelati. UNESCO-Weltkulturerbe und bei unserem Besuch im Renovierungs-Modus. Die Hauptkirche ist eingerüstet, aber wir können trotzdem einen Blick auf die eindrucksvollen Fresken werfen. Gelati ist die Grablege der bedeutendsten Könige und Königinnen Georgiens. Außerdem gibt es eine bedeutende Sammlung wertvoller Handschriften und das Kloster war bekannt für seine Gold- und Silberschmiedekunst.
Wir bummeln durch die Anlage und können am späteren Nachmittag einige Hochzeits- und Taufgesellschaften beim Fotoshooting beobachten. Dann geht es zur besten Rush-Hour-Zeit mitten durch die Stadt Kutaissi. Ihres Zeichens die drittgrößte Stadt Georgiens. Die Verkehrsführung ist verwirrend und unsere Navi-Susi lotst uns durch ein Gewirr von Einbahnstraßen. Sightseeing auf Georgisch und die Stadt sieht recht charmant aus. Irgendwie kommen wir heil aus dem Chaos heraus und erreichen nördlich von Kutaissi einen gemütlichen Stellplatz. Fast zeitgleich trifft das Team UAZ ein. Außerdem kommen noch Olina und Thomas aus Amsterdam mit ihrem liebevoll ausgestatteten UAZ dazu. Somit wird unser Gefolge ein wenig größer 😉 Wir verbringen einen schönen gemeinsamen Abend mit leckeren gegrillten Forellen und interessanten Gesprächen am Lagerfeuer.
Aufgrund schlechter Wetterprognosen empfiehlt uns Andreas, auf den Abstecher zum Schwarzen Meer zu verzichten und gleich unsere Offroad-Tour über den Zekari-Pass in Angriff zu nehmen. Zunächst schauen wir uns aber noch die Stadt der Lost Places an. Tskaltubo war zu Sowjetzeiten ein mondäner Kurort mit vornehmen Hotels, Sanatorien und Casinos. Heute sind viele dieser Gebäude dem Verfall preisgegeben und bilden eine höchst eigentümliche Szenerie. Beim Streifzug durch die Ruinen entdecken wir einen zurückgelassenen Pass, leere Koffer, Tapeten an den Wänden, Marmorsäulen und Relikte des einstigen Prunks. Mittlerweile sind die Ruinen auch Tummelplatz der Graffiti-Szene. Mal mit mehr, mal mit weniger schönen Ergebnissen. Die Stadt versucht mit Erneuerungen und Modernisierungen wieder ein wenig zum Ruf des Kurorts zurückzukehren. Ob das gelingen wird?
Für die Weiterfahrt zum Zekari-Pass müssen wir uns noch einmal durch Kutaissi kämpfen, erreichen über Baghdati auf guter Straße einen weiteren Kurort. Sairme mutet mit seinen Hotels und Thermalbädern fast schon wie ein westeuropäischer Erholungsort an. Hier endet auch die asphaltierte Straße, wir lassen Luft aus den Reifen und arbeiten uns auf einer recht ordentlichen Schotterstraße Kilometer für Kilometer hinauf. 30 Kilometer offroad sagt das Navi und so erobern wir uns Kurve für Kurve eine Höhe von rund 2.300 Metern. Leider wird es zunehmend wolkig und an unserem genialen Übernachtungsplatz werden wir von einstelligen Temperaturen und eisigem Wind empfangen. Unten waren es noch gut 30 Grad…
Da helfen nun auch kein Lagerfeuer und keine Schutzhütte mehr. Wir verlegen den Hüttenabend in den Mumin. Vorher kommt aber noch ein Trupp Georgier mit mehreren Jeeps vorbei. Einer davon ist Hotelier, war schon in Deutschland im Hofbräuhaus und lädt uns ein, im Tal bei seinem Hotel zu übernachten, zu essen und vor allem zu trinken. Als wir dankend ablehnen, schenkt er uns drei Liter seines selbstgekelterten Weines. Das Gebräu ist etwas speziell, aber Katrin hat die spontane Idee, daraus Glühwein zu zaubern. Verfeinert mit Honig und ein paar Gewürzen aus dem Vorrat wird daraus tatsächlich ein akzeptables Getränk, das uns zumindest von innen wärmt.
Die Nacht auf dem Pass war zwar kalt, doch ein aufklarender Himmel und Windstille bescheren uns einen wunderbaren Sonnenaufgang. Nach dem Frühstück rumpeln wir mit mehreren Aussichtsstopps wieder talwärts. Dabei geht leider die Drohne zu Bruch. Sie donnert in selbstmörderischer Absicht gegen die Windschutzscheibe des UAZ. Shit happens…
Während die beiden UAZ nun munter zu Tal hoppeln, wird es für den Mumin jetzt richtig anstrengend. Die letzten Kilometer durch den Wald sind eng und ausgewaschen, felsig und in den Serpentinen müssen wir mehrmals zurücksetzen. Somit sind wir recht froh, wieder Asphalt unter die Räder zu bekommen. Doch die Freude währt nur kurz. Das Städtchen Abastumani war einst ebenfalls eine Kurstadt, in der sogar die Zaren residierten. Davon künden noch einige sehr schöne Holzvillen. Doch der Ort ist eine komplette Baustelle. Überall wird gebaggert und gegraben, es herrscht sonntägliches Verkehrschaos auf der mehr als provisorischen Umleitung und parken ist für uns unmöglich. Schade, denn hier hätte es einige Fotomotive gegeben.
Die restlichen Kilometer bis nach Akhaltsikhe bewältigen wir auf schlechter Straße. Die Festungsstadt wollen wir uns genauer anschauen. Doch der Tag ist fortgeschritten und wir suchen uns einen aussichtsreichen Übernachtungsplatz. Es dauert wieder einmal nicht lange, dann haben wir Gesellschaft von Kühen und zwei Jägern, die mit der Schrotflinte im Anschlag herumspazieren. Uns lassen sie jedoch unbehelligt 😉
Stattdessen ist allmählich die Schlechtwetterfront im Anmarsch, in der Ferne sehen wir den Regen niedergehen, es gewittert und über uns spannt sich ein toller Regenbogen. Nun sind wir bereits eine Woche zusammen unterwegs. Wie schnell doch die Zeit vergeht. Für hier und heute ist jedoch Schluss – Fortsetzung folgt.