Von unserem letzten Übernachtungsstopp in Bulgarien rollen wir auf einer fast leeren Autobahn der Türkei entgegen. Am Grenzübergang ist die LKW-Schlange wieder mal groß und wir rollen langsam daran vorbei. Auch hier heißt es „Camper – no Truck“. Die Warteschlange bei den PKWs ist um die Mittagszeit nicht allzu lang und wir hoffen auf ein zügiges Durchkommen. Die Passabfertigung läuft tatsächlich auch recht problemlos, außer dass wir mal wieder am falschen Schalter stehen. Wir werden nach nebenan geschickt, wo wir mit dem Mumin aber um fünf Ecken herumfahren müssen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht. Die Zöllner sind freundlich, heißen uns Willkommen und schicken uns zur Kontrollhalle, vor der sich bereits mehrere PKWs und auch zwei Camper sammeln. Nun heißt es in der Mittagshitze warten – warten – warten und nochmals warten. Nix bewegt sich, drinnen tut sich auch nix. Es ist wohl Mittagspause.
Dann geht es plötzlich voran und irgendwann stehen wir mit dem Mumin in der Halle. Vier junge Grenzbeamte wollen IN den Mumin. Als wir darum bitten, die Schuhe auszuziehen, herrscht zunächst ungläubiges Gucken, dann verhandeln, dann trifft es eine junge Beamtin, die über unsere Notleiter in weißen Socken hineinsteigen muss. She is not amused, aber sorry – this is my home. Ich folge ihr, um die diversen Schubladen und Türen zu öffnen. Die Dame macht ja auch nur ihren Job. Sie guckt in den Kühlschrank, fragt nach Alkohol, ich zeige ihr die Flasche Wein, sie schaut in den Schrank und das war’s dann auch.
Frank ist derweil draußen mit dem Öffnen der Klappen und Staukästen beschäftigt. Am meisten interessiert man sich für unseren Vorrat von mehreren Litern Milch und die Kosmetik-Taschen, die wir bereits für unsere Mädels und das Familientreffen in Georgien dabeihaben. Presents for our turkish friends – damit gibt man sich zufrieden.
Das gesamte Prozedere, samt anschließendem Geldwechsel und Maut-Anmeldung, dauert gut drei Stunden, dann sind wir durch. Dabei haben wir noch eine nette Begegnung. Auf der Mautstelle sind vor uns zwei Türken. Während wir warten, rätseln wir, welches Pickerl wir wohl benötigen. Da dreht sich der eine junge Mann um und fragt uns in perfektem Deutsch, ob wir Hilfe benötigen. Gerne doch und schnell ist dem Schalterbeamten erklärt, wohin wir wollen und was wir brauchen. Willkommen in der Türkei!
Noch etwas gestresst nehmen wir Kurs auf die Grenzstadt Edirne, wo wir einen zentralen Stellplatz hinter der Moschee beziehen. Hier heißt es erstmal durchatmen. Angekommen in der Türkei, es gibt ein verspätetes Mittagessen mit einer Siesta, dann machen wir uns auf den Weg in die Stadt.
Dort sind wir total überrascht von den schönen Bauten und der prächtigen Hauptmoschee. Sie ist zwar komplett eingerüstet und drinnen verbergen Bauplanen die Schätze. Aber wir genießen die schönen Ausblicke, bummeln durch die quirlige Altstadt mit schönen Holzhäusern und trinken anstatt eines Feierabend-Vierteles unseren ersten Cay. Wir passen uns schon mal den Sitten und Gebräuchen an.
Auf unserem Stellplatz lernen wir noch Monika und Peter kennen. Ein weitgereistes und damit auch sehr reiseerfahrenes Paar aus Hamburg. Wir sitzen noch nett beisammen und bekommen bereits einige Tipps für die Türkei und Georgien. Kleiner Lacher am Rande: Die beiden erzählen uns von ihrer Grenzabfertigung (sie kamen etwas später dort an als wir) und dass sie von den Zöllnern gefragt wurden, ob sie die Schuhe ausziehen müssten bevor sie in das Wohnmobil gehen. Wir haben wohl Maßstäbe gesetzt….
Nachdem uns der Muezzin bereits um 5 Uhr lautstark aus den Federn ruft, dösen wir zwar noch ein wenig weiter, sind aber beizeiten bereit für unser nächstes Türkei-Abenteuer. Nach einem Tankstopp rollen wir (noch) entspannt auf leerer Autobahn knapp 250 Kilometer weiter in Richtung Istanbul.
Die Landschaft, die wir durchqueren, gehört zur Region Thrakien. Riesige Getreide- und Sonnenblumenfelder säumen unseren Weg. Ansonsten sieht es hier wenig spektakulär aus. Je näher wir Istanbul kommen, desto mehr nimmt auch der Verkehr zu. In der Ferne sehen wir bereits riesige Vorstadtsiedlungen und erfahren, dass sich die Stadt am Bosporus über eine Fläche erstreckt, die zwei Mal so groß ist wie das Saarland. Holla die Waldfee – da werden wir zwei Landeier so richtig gefordert 😉
Wir haben für unsere Anreise in die Mega-City bewusst den Samstagvormittag gewählt in der Hoffnung, nicht in das legendäre und viel beklagte Stau- und Verkehrschaos zu geraten. Zudem erhoffen wir uns einen freien Platz auf dem einzigen, zentrumsnahen Wohnmobil-Stellplatz. Die Rechnung geht auch fast auf. Dank der Empfehlung von Peter und mit Hilfe von Tante Google biegen wir am Flughafen von der Autobahn ab, umgehen damit einen Stau und gelangen auf die D-100, auf der wir nahezu staufrei entlang der Wasserlinie des Marmara-Meeres in Richtung Stellplatz rollen. Der erste Eindruck ist überwältigend. Wir durchqueren auf einer achtspurigen Schnellstraße riesige Shopping-Malls mit einer Hochhaus-Skyline. Dazu ein Fahrverhalten der Istanbuler, das uns den Schweiß auf die Stirn treibt. Rechts überholende Mopes, kreuz und quer düsende Taxis, die immerhin an ihrer gelben Farbe auch im letzten Moment zu erkennen sind, Busse, die plötzlich auf der rechten Spur halten, um Fahrgäste mitzunehmen, dann wieder Höhenbegrenzungen an Unterführungen, die wir umfahren müssen – Volle Konzentration ist von uns beiden gefordert. Tohuwabohu pur!
Als wir um die Mittagszeit unseren auserkorenen Stellplatz unbeschadet erreichen, müssen wir erst einmal tief durchatmen. Geschafft!!! Wir dürfen den Mumin direkt neben dem zugehören Fußballplatz abstellen, auf der anderen Seite der Hecke rauscht der Verkehr vorbei, wir sind hier rund um die Uhr sicher bewacht und es gibt alles, was man für einen Besuch in der Stadt benötigt. Ja, es ist laut, ja, es ist voll, ja, der Kangal des Platzwarts bellt Nachts wenn Gefahr im Verzug ist und ja, es ist unterhaltsam. Ab 17 Uhr kommen die Kicker des Stadtviertels und wir bekommen bis 24 Uhr das türkische Fußball-Vereinsleben live mit. Doch wir werden freundlich begrüßt, der Platzverwalter gibt sich alle Mühe, auch noch einen Platz in der kleinsten Lücke zu finden und hilft, wo er nur kann. Ruhe darf man in dieser Mega-City, die nie schläft, einfach nicht erwarten.
Nachdem wir uns ein wenig regeneriert haben, machen wir uns auf den etwa 20minütigen Fußmarsch in die Altstadt. Dabei durchqueren wir das ehemalige Fischerviertel, in dem sich ein Restaurant an das andere reiht. Überall Kellner, die auf Kundschaft warten und mit den Speisekarten ihrer Etablissements wedeln. Etwas nervig, aber wir kämpfen uns durch. Überrascht sind wir von den hübschen Holzhäusern, die mit ihren bunten Fassaden echte Hingucker sind. Viele davon sind Gästeunterkünfte.
So gelangen wir ins touristische Epizentrum der Stadt. Über eine langgestreckte Flaniermeile, auf der sich bis ins 15. Jahrhundert das Hippodrom erstreckte, erreichen wir unser erstes Ziel: Die Blaue Moschee. Welch eine prachtvolle Kulisse und wir fühlen uns angesichts der vielen Minarette nun tatsächlich im Orient angekommen. Im Innenhof müssen wir noch ein wenig warten, dann ist die Gebetszeit zu Ende und die Besucher dürfen ins Innere. Da stehen wir nun und staunen.
Gleich daneben und nur wenige Schritte entfernt das nächste Gotteshaus. Die Hagia Sophia mit ihrer wechselvollen Geschichte. Als Kirche erbaut, von Feuer und Erdbeben zerstört, wieder aufgebaut, dann Moschee, unter Atatürk ein Museum und heute wieder eine Moschee. Wenn Steine erzählen könnten. Drinnen geht es sehr touristisch zu und wir fühlen uns angesichts der Massen ziemlich „durchgeschleust“. Dennoch beeindruckt das Bauwerk und hier zu stehen, erfüllt mit Staunen und Dankbarkeit.
Durch den grünen Gülhane-Park lassen wir uns in Richtung Bosporus und Goldenes Horn treiben, saugen die ersten Eindrücke in uns auf, genießen die Ausblicke und sind schon nach dem ersten Schnupper-Spaziergang ziemlich geflasht. Den ersten Tag in Istanbul beenden wir auf einer Aussichtsterrasse bei einer leckeren Pide mit Käse und zwei „Cocktails“, die eher an einen Eiskaffee und einen roten Fruchsaft-Mix erinnern.
Für unseren zweiten Tag haben wir uns mein persönliches Istanbul-Highlight vorgenommen: Den Topkapi-Palast. Am Sonntagvormittag halten sich die Warteschlangen tatsächlich sehr in Grenzen und wir halten ruckzuck unser Eintrittsticket in Händen. Eine der weltweit größten Palastanlagen braucht Zeit. Dass sie soooo viel Zeit braucht, hätten wir aber nicht gedacht. Ein halber Tag reicht bei weitem nicht aus, um all die Innenhöfe, Pavillons, Museen… zu besuchen.
Wir spazieren also durch die vier Höfe, staunen über die faszinierende und märchenhafte Architektur, bummeln durch den Harem und genießen stille Ecken mit Ausblick. Es ist faszinierend und atemberaubend. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Gegen Nachmittag wird es dann aber richtig voll und die asiatischen Besuchergruppen sind sehr nervig. Mit ihren Selfie-Sticks bewaffnet drängeln sie sich skrupellos durch, schubsen einen zur Seite und stürmen knipsend und filmend durch die Anlage. Selbst für das obligatorische Insta-Posing haben sie keine Zeit, das übernehmen schönheits-operierte Influencer-Girls mit Schlauchboot-Lippen. Sorry - ich schweife ab… Wir suchen uns immer wieder stillere Ecken, um diese einmalige Atmosphäre in uns aufzunehmen.
So wird es später Nachmittag, als wir uns der Yerebatan-Zisterne zuwenden. Die Warteschlange scheint lang, aber es läuft dann doch recht zügig. Die unterirdische Wasserversorgung Istanbuls konnte bis in die 1980er Jahre hinein nur mit dem Boot befahren werden. Heute führen Holzstege durch den Wald aus Säulen und Gewölben. James Bond jagte hier unten bereits Verbrecher und auch Dan Brown wählte die Zisterne als Schauplatz für einen seiner Thriller. Wir bewundern die Lichtinstallationen, die sowohl Säulen als auch Kunstobjekte in wechselnde Farben tauchen. Teils geheimnisvoll und mystisch, teils aber auch ein wenig spooky.
Auf dem Heimweg gibt es noch ein Abendessen im Fischerviertel. Dort genehmigen wir uns verschiedene Vorspeisen sowie gegrillte Rotbarben, die sogar mit einem Fläschchen Wein serviert werden. Passt! Ziemlich fußlahm und den Kopf voller Eindrücke kehren wir zurück an den Mumin. Dort schlummern wir trotz Fußball und Verkehrslärm schnell ein und schlafen wie die Murmeltiere.
Tja – nun ist es passiert. Über Nacht bin ich 60 geworden. Aufgewacht mit Muskelkater in den Beinen – Frau ist nun endgültig nicht mehr die Jüngste 😉
Aber auch aufgewacht mit einigen schönen Überraschungen. Das Frühstück ist serviert und ich darf mich auf eine Ballonfahrt in Kappadokien freuen. Zuhause erwarten mich dann Wellnesstage mit unseren Töchtern. Frau muss schließlich auch im reiferen Alter etwas für sich tun 😉. Ansonsten geht es mir aber sehr gut und es erfüllt mich mit tiefer Dankbarkeit, an meinem runden Ehrentag an diesem besonderen Ort sein zu können.
Zur Feier des Tages haben wir uns eine Bosporus-Kreuzfahrt ausgesucht. Und zwar das volle Programm. Täglich um 10.35 Uhr startet eine städtische Fähre am Anleger in Eminönü und schippert 30 Kilometer im Zickzack-Kurs den Bosporus hinauf. Unterwegs legt das Schiff an mehreren Stellen auf europäischer und asiatischer Seite an. Wir genießen unterwegs den Blick auf immer neue Stadtansichten, kommen vorbei an Palästen und Villen, hübschen Holzhäusern und mittelalterlichen Ruinen. Um die Mittagszeit erreichen wir den Anleger Anadolu Kavagi und haben hier drei Stunden Aufenthalt.
Diese verbringen wir mit einem (steilen) Spaziergang hinauf zu einer Burgruine, von der aus wir einen fantastischen Ausblick auf die nördlichste Bosporus-Brücke und das Schwarze Meer sowie die zurückgelegte Fahrtstrecke mit der Skyline Istanbuls haben. Im Aussichtsrestaurant essen wir zu Mittag mit einer Vorspeisenplatte, Köfte und einem Grillteller. Dazu eine Dose Pepsi – der Sekt zum Anstoßen muss noch warten.
Dann schippern wir gemütlich mit der Fähre wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt, kämpfen uns durch die Menschenmassen im Bazar-Viertel und erreichen erneut wieder fußlahm unseren Mumin. Dort wird es Zeit, mit einem Gläschen Non-plus-Ultra unseres spanischen Haus-und-Hof-Lieferanten Codorniu sowie einem Video-Chat mit unseren Töchtern anzustoßen. What else 😉
Seit nunmehr 36 Jahren folgt meinem Geburtstag der Hochzeitstag. Kann Mann sich besser merken 😉 Für diesen Tag haben wir uns einen Streifzug durch das Bazar-Viertel vorgenommen. Es ist ein ganzer Stadtteil für sich. Wir haben die Bazare von Marrakesch und Fez erlebt – doch die Märkte und Einkaufsstraßen in Istanbul toppen das Ganze um Längen. Das beginnt bereits mit Straßenzügen, die sich komplett der Hochzeitsausstattung widmen. Läden, Schneidereien, Stoffgeschäfte mit üppig glitzernder Ware und Festgewändern. Vor dem nächsten Abschlussball komme ich zum Shoppen hierher! Mann wird übrigens mit Anzügen, Hemden und Schuhen ebenfalls fündig.
Dann ein Straßenzug, in dem sich Wäsche- und Dessous-Geschäfte wie Perlen aneinanderreihen. Von der warmen Angora-Unterwäsche bis hin zu Strapsen – alles vorhanden. Wir laufen hier mit fast schon beschämt geschlossenen Augen hindurch und wundern uns, welchen Hauch von Nichts die züchtigen moslemischen Gewänder verbergen.
Dann lassen wir uns einfach treiben, kommen durch den Bücherbazar an die Süleymanija-Moschee mit den Gräbern der Sultane und einer herrlichen Aussichtsterrasse. Diese Moschee ist (noch) von Besuchergruppen verschont und ist unser heimlicher Favorit.
Auf dem Weg hinunter an den Bosporus kommen wir durch eine weitere Bazar-Gasse, in der hauptsächlich Haushaltswaren angeboten werden. An allen Ecken riecht und duftet es aus Brätereien und Backstuben. Dann nach Kaffee. Gerne lassen wir uns an einem einfachen Stand nieder und verschnaufen bei einem liebevoll zubereiteten, köstlichen türkischen Kaffee. Dabei kommen wir ins Gespräch mit einem jungen Paar aus Nordmazedonien, das heute in Bayern lebt und einen Citytrip nach Istanbul unternimmt. Eine nette Begegnung und wir bekommen gleich Tipps für das Heimatland der beiden mit auf den Weg.
Über die Galata-Brücke mit ihren vielen (Nepp)Fischrestaurants geht es hinüber ins Stadtviertel Karaköy, wo wir uns einen köstlichen Fisch-Dürüm auf die Hand genehmigen. Auf dem Rückweg noch einen Kaffee samt köstlichen Süßigkeiten, dann stürzen wir uns noch einmal ins Bazar-Getümmel. Erstes Ziel ist der Ägyptische Bazar, der überquillt mit Gewürzen, Trockenfrüchten, Tees und Süßigkeiten. Obwohl gesättigt, bekommen wir schon wieder Hunger. Wir bleiben standhaft und erstehen hier nur ein paar Gewürze. Weiter geht es in den großen Bazar. Viel Bling-Bling an den Schmuckständen mit Gold- und Silberwaren, Gassen mit bunter Keramik, orientalische Messingleuchten, überall glitzert und bimmelt es. Man mag sich gar nicht sattsehen. An einem Stand mit Tüchern und Schals aus Seide und Kashmir werde ich dann doch schwach. Schals kann Frau nie genug haben und der nächste Winter kommt bestimmt. Zwei gekauft, einen geschenkt. Ich denke, ein gutes Geschäft gemacht zu haben, wurde wahrscheinlich aber doch übers Ohr gehauen. Egal – die Beute gefällt und ich habe eine schöne Erinnerung an Istanbul.
Zurück am Mumin ist noch ein wenig Fußballgucken angesagt, am dunklen Abendhimmel beeindruckt ein spektakuläres Wetterleuchten und in der Ferne hören wir Donnergrummeln. Dann fallen wir wieder todmüde in die Federn. Morgen geht’s weiter in Richtung Schwarzes Meer. Güle-Güle Istanbul, wir sehen uns hoffentlich wieder!
Monika Ambos (Mittwoch, 20 September 2023 20:14)
Nun seid ihr in Georgien und wir sind neugierig was ihr dort entdecken und erleben werdet. Weiterhin schöne Reise