Wer das Abenteuer sucht, wird es in Katalonien finden

Mittlerweile ist es Pfingsten geworden. Kaum zu glauben, wie schnell doch die Zeit vergeht und wir sind bereits auf unserer Rückreise in Frankreich angekommen. Doch in Katalonien ist noch so einiges passiert, wovon wir gerne erzählen möchten. Beendet habe ich unseren letzten Beitrag mit dem Hinweis auf eine grandiose Fahrradtour. Genauer gesagt waren es gleich mehrere. Wir sind in drei Etappen knapp 100 Kilometer des Vía Verde Ferrocarril del Val Zafán abgeradelt.

Die Vía Verdes (Grüne Wege) sind ein Netz von ehemaligen Bahntrassenwegen, die in ganz Spanien zu finden sind. Sie wurden zu Radwegen ausgebaut und verlaufen mit meist moderaten Steigungen durch landschaftlich wunderschöne Regionen. Einer davon ist der erwähnte Vía Verde Val Zafán, der von Tortosa am Ebro nach Alcañiz in Aragonien führt. Mit rund 130 Kilometern ist er der längste, zusammenhängende Radweg Spaniens. Da ließen wir es uns natürlich nicht nehmen, die katalonischen Teilstrecken zu erkunden. Was soll ich sagen – es war Abenteuer pur. Die Route führt über mehrere Viadukte sowie durch mehr als 40 Tunnels. Der längste davon ist mehr als 700 Meter lang. Diese Tunnels sind meist nur spärlich bis gar nicht beleuchtet. Nicht immer ist das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels zu sehen und somit beschleicht mich da ein sehr ein mulmiges Gefühl, so ins Ungewisse hineinzufahren. Da sorgt auch die Fahrradbeleuchtung für wenig Erhellendes. Irgendwann gewöhnt man sich aber auch daran und es ist ein aufregendes Erlebnis, danach in einer neuen, spektakulären Landschaft wieder aus dem Dunkel aufzutauchen. Unter anderem hat sich hier Pablo Picasso zum Kubismus inspirieren lassen. Schaut man sich die mächtigen, roten Sandsteinfelsen an, die wie Riesenklötze die Szenerie beherrschen, ist dies durchaus nachvollziehbar.

Nicht nur dieser Radweg ist abenteuerlich. Katalonien kann mit einer ganzen Vielzahl von spektakulären Wanderwegen, Schluchten und Landschaften aufwarten. Nicht alles haben wir erkundet, nicht alles war für uns erreichbar. So stand beispielsweise eine Wanderung durch die Congost de Montrebei ganz oben auf unserer Wunschliste. Doch je näher wir diesem Naturwunder kamen, desto mehr ergaben unsere Recherchen, dass wir hier mit dem Mumin so gar keine Chance haben würden.

Die spektakuläre Schlucht wird derzeit in den Sozialen Medien regelrecht gehypt und ist damit auch rettungslos überlaufen. So verwundert es nicht, dass der Wanderparkplatz am Nordeingang nicht mehr für WOMOs zugänglich ist. Auch das schmale Zufahrtssträßchen bietet so gut wie keine Parkmöglichkeiten. Von Süden her sieht es nicht besser aus. Auch dort ist der Parkraum sehr begrenzt, die Wanderzeit zudem um einiges länger. Die Möglichkeit, für den Rückweg das Boot zu nutzen, ist aufgrund der schon lange anhaltenden Trocken in Spanien derzeit (Frühjahr 2023) ebenfalls nicht möglich.

Um hier nicht unnötige Klimmzüge zu veranstalten, wurde die Schlucht aus unserer Things-to-Do-Liste gestrichen und wir suchten nach Alternativen. Die haben wir dann auch gefunden.

Und da ich ja auch wenig zur Kategorie „Hasenfuß“ gehöre und nicht wirklich schwindelfrei bin, sind mir die Alternativen durchaus sympathischer. Ich finde mich bei der Erkundung der Congost de Mu angesichts schwankender Hängebrücken und hoch über dem rauschenden Fluss verlaufenden Gitterstegen an senkrechten Felsen immer noch sehr mutig.

Bei einer vermeintlich „gemütlichen Wanderung rund um den See“ kommen wir mal wieder zu der Erkenntnis: Glaube keinem Reiseführer, den du nicht selbst recherchiert hast. In unserem Wanderführer war eine Tour als familientauglich beschrieben, wenige Höhenmeter sind zu absolvieren und die Wege leicht begehbar ohne besondere Schwierigkeiten. Genau richtig für uns Schmalspur-Alpinisten, denke ich bei der Wahl der Strecke. Die Wanderung beginnt tatsächlich auch gemütlich mit schönen Ausblicken auf einen See und mit einem breiten Spazierweg. Das schaffen wir doch locker in den angegebenen zwei Stunden Gehzeit. Denkste! Spätestens nach Überqueren einer Staumauer beginnt das Abenteuer. Der schmale Trampelpfad führt uns auf und ab, mal auf nacktem Fels, dann wieder auf rutschigem Schotter. Der Weg ist häufig zugewachsen von Gestrüpp – ob hier Zecken lauern??? Memo an mich: Später suchen wir uns nach den Krabbelviechern ab.Doch nicht genug damit – Der Weg entwickelt sich zu einem Drahtseilakt mit Blick tief hinunter auf den See. So etwas soll ein familientauglicher, gemütlicher Sonntagsspaziergang sein? Ob der Autor die Schwiegermutter im See versenken wollte? Oder ob die Wanderführer von heute von den Enkeln Reinhold Messners geschrieben werden?

Kurzum: Wir benötigen mit Foto- und Verschnaufpausen gut vier Stunden, sind danach ziemlich platt, aber kommen zu dem Fazit, dass sich diese Umrundung des Sees auf jeden Fall gelohnt hat. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie aber Ihren Arzt oder Apotheker oder schicken Sie die Reisebuchautoren auf eine Nachrecherche.

 

Die letzte Etappe unserer Reise führte uns noch einmal in die Pyrenäen. Einen Teil der Strecke kannten wir bereits vom Beginn unserer Reise, doch im März mussten wir eine Schlucht mit unserem Mumin im Schnelldurchlauf passieren. Normalerweise ist sie für den Autoverkehr gesperrt – hier verlief früher die alte Straße, die jetzt nur noch von Wanderern und Radfahrern genutzt werden darf. Der Verkehr rollt heute durch einen Tunnel. Wegen Revisionsarbeiten war der Tunnel im März jedoch gesperrt und wir mussten ihn auf der alten Strecke umfahren. Anhalten und diese imposante Schlucht fotografieren war auf dem schmalen Sträßchen jedoch unmöglich.

Das holen wir jetzt nach, parken den Mumin auf dem Wanderparkplatz und spazieren am frühen Vormittag hinein in dieses spektakuläre Naturwunder. Wir schauen uns bizarre Felsformationen an, klettern hinunter an den Fluss, fotografieren und klettern wieder hinauf. Wir sind ganz allein hier. Nicht ganz – über uns tauchen Schatten auf. Einer, zwei, drei – und noch einer. Die Gänsegeier starten hoch über uns aus den steilen Felsen zu ihrem morgendlichen Flug durch die Schlucht. Welch ein Schauspiel! Selbst eine vorbeifahrende Patrouille der Forstbehörde hält an, um die Geier nicht zu stören. Wieder mal einer dieser Magic Moments!

Der nächste dieser Magic Moments erwartet uns hoch droben auf einem Pyrenäen-Pass. Der Port de Bonaiguas liegt auf 2.072 Metern Höhe und ist ein Skigebiet mit etlichen Sesselliften. Im Winter steppt hier oben sicherlich der Bär, wovon riesige Parkplätze zeugen. Mit dem Mumin schrauben wir uns in etlichen Serpentinen hinauf. Auch hier sind wir am späteren Nachmittag völlig allein. Der Liftbetrieb ist längst eingestellt, wir sehen noch die letzten Schneereste und beschließen, auf dem verwaisten Parkplatz die Nacht zu verbringen. Die Aussicht hier oben ist grandios, nur leider verschlechtert sich das Wetter. Dunkle Wolken drohen unheilvoll. Egal – wird schon nicht so schlimm werden. Im Abendlicht beobachten wir eine Herde Bergziegen am Hang, dann wird es dunkel und ruhig. Nur der Regen trommelt aufs Dach. Welch ungewohntes Geräusch, nach mehr als zehn Wochen ohne jeden Tropfen von oben.

Am nächsten Morgen ist die Sicht gleich Null. Wir können die Hände nicht vor Augen sehen. Im Blindflug wollen wir uns die vielen Serpentinen hinunter nicht vom Berg stürzen. Also wird die Heizung angeworfen, die Dank eingeschaltetem Höhenkit auch problemlos funktioniert. Wir frühstücken gemütlich, der Kaffee wärmt, doch der Blick nach draußen ist immer noch düster. Gefühlt haben wir minus zwei Grad. Doch der Regen hat aufgehört und die Wetter-App ist ebenfalls zuversichtlich. Tatsächlich lichten sich allmählich die Nebelwolken, geben immer wieder eine Lücke frei, dann schließt sie sich wieder. Die Szenerie verändert sich im Sekundentakt und dann gewinnt tatsächlich die Sonne die Oberhand. Sie durchbricht die Wolkendecke und sorgt für magische Momente und ein spektakuläres Naturschauspiel mit ganz besonderen Lichtstimmungen. Nur schwer können wir uns von der Passhöhe verabschieden.

Ja – unser Abenteuer Katalonien ist nun tatsächlich zu Ende. Auch diesmal hat uns Spanien abseits der Touristen-Hochburgen absolut begeistert. Wir sind inzwischen bereits in Frankreich in der Region Aubrac. Für den Heimweg haben wir uns mal wieder eine andere und neue, uns bislang unbekannte Strecke mitten durch Frankreich ausgesucht. Das Land ist einfach zu schade, um im Schnelldurchlauf durchzurauschen.

 

Wir werden berichten. Damit Au revoir und À la prochaine!


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