…. auch in Europa kann das Reisen abenteuerlich sein.
Nachdem wir in Gibraltar bei Sturm und Regen von quer vier Nächte lang ausgeharrt haben, ging es für uns am 23. November weiter in Richtung Norden. Unser Mumin war
nach den Regentagen auch vom letzten Sahara-Staubkörnchen befreit und hatte durch den Sturm sogar eine Unterbodenwäsche erhalten. Die nächste Stufe wären Schwimmhäute gewesen. Aber nachdem wir
die Nachrichtenlage verfolgten, sind wir angesichts der Unwetter in Italien und Südfrankreich noch ganz gut weggekommen. Auch wenn uns die Sturmböen ganz schön durchgeschüttelt haben. Doch dafür
haben wir das schlechte Wetter kulinarisch in der Kneipe der Marina genossen.
Als erstes Etappenziel in Richtung Heimat haben wir uns einen Campingplatz im Hinterland von Murcia ausgesucht. Dort sollte es ein Thermalbad geben. Ideal, um ein paar Tage auszuspannen.
Somit machen wir uns auf den Weg, nicht ohne vorher noch unsere Vorräte bei LIDL aufzufüllen. Und was können wir da erstehen? Na klar, die ersten Lebkuchen und Christstollen wandern in den Einkaufswagen. So ganz langsam müssen wir uns ja in Weihnachtsstimmung versetzen.
Unsere Route führt uns diesmal nicht entlang der Küste, sondern ab Malaga durch das Hinterland der Sierra Nevada und vorbei an Granada. Da will ich ja eigentlich schon die Notbremse einlegen. Die Alhambra ruft gar zu verlockend. Doch wir müssen erst noch die vielen Reiseeindrücke aus Marokko verarbeiten. Der Kopf ist voll und die Alhambra muss noch ein wenig auf uns warten.
Dafür werden wir mit einer landschaftlichen Traumroute entschädigt. Es geht über Berg und Tal, teilweise führt uns die Autobahn auf Höhen von 1.700 Metern und manche der Gipfel sind bereits weiß gepudert. Der Winter hält auch Einkehr in Spanien. Schließlich hat die Sierra Nevada einige Skigebiete aufzuweisen. Dazu unten als Kontrast die vielen, vielen Olivenbaumplantagen.
Bei Guadix plötzlich ganz fantastische und bizarre Felsformationen. Die Landschaft ist von Canyons geprägt, in den Sandstein sind Höhlenwohnungen bzw. Häuser und Weinkeller gegraben. Mein Herz ruft: „Sofort anhalten und anschauen“. Aber wir haben gestern die Deadline für unser Reiseprojekt bekommen und müssen uns nun ziemlich ranhalten. Arbeit wartet auf uns. Also wird die Region in der Landkarte fett markiert und weiter geht’s. So ganz langsam reift die Überlegung in uns, ob wir im Frühling nicht Spanien/Portugal in Angriff nehmen sollten. Schaun wir also mal.
Um Murcia herum wird die Landschaft wieder ein wenig öde. Die Landwirtschaft dominiert und damit riesige Obst- und Gemüseplantagen. Die Zitrusfrüchte sind reif und die Orangen leuchten satt im Grün der Blätter.
Von unterwegs rufen wir vorsichtshalber noch auf dem Campingplatz an, ob für unser Dickschiff Platz ist. Die Winter- und Weihnachtsflüchtlinge aus Deutschland und anderswo sind nämlich im Anmarsch und das in ziemlich großer Zahl. Spätestens die Frage des Campingplatzes, ob wir denn ein Privatbad bräuchten, hätte mich stutzig machen sollen. Doch ja, man hätte noch einen Platz für uns den man uns für den Abend reserviert. Wir freuen uns schon riesig darauf, nach dem Fahrtag abends ins warme Thermalwasser eintauchen und ein wenig entspannen zu können.
Durch eine irgendwie reizlose Landschaft kommen wir gegen 18.00 Uhr auf dem Platz an. Und dort entgleisen uns fast die Gesichtszüge. Der angeblich „kleine“ Campingplatz ist dicht belegt mit fast ausschließlich deutschen Rentnern. Vom Wohnwagen bis zum XXXXL-Luxusliner stehen die Mobile dicht an dicht auf Kuschelkurs. An der Rezeption werden wir von einer ziemlich aufgehübschten Blondine im lockeren „Wir-haben-uns-alle-lieb“ und Ferienclub-DU empfangen. Sie teilt uns einen Platz etwas im Randbereich zu. Trotzdem kommen wir uns vor wie der berühmte „Elefant im Porzellanladen“.
Nun denn, genehmigen wir uns eben ein Feierabend-Viertele in der Bar und schauen wir uns den Badetempel mal an. Doch da gleich die nächste Enttäuschung. Der Poolbereich ganz nett, aber ab 19 Uhr geschlossen. Also nix mit Entspannung im warmen Wasser. Das Restaurant – auf der Karte steht „Ochsenschwanz-Ragout“ und drinnen sitzt ziemlich einsam ein Paar beim Essen. Die Bar – dunkel und schon geschlossen. Im „Social-Room“ ein Grüppchen Männer vor dem Großbildschirm beim Fußball gucken.
Ok – alles wirkt sauber, ordentlich und perfekt durchorganisiert. Aber das hier ist einfach nicht unsere Welt. Also bezahlen wir gleich unsere Übernachtung – hier hält uns nix und morgen ziehen wir weiter ins Ebro-Delta.
Zurück am Mumin trinken wir hier unseren spanischen Rotwein, essen selbstgebackenes Brot mit spanischem Serrano-Schinken und Manchego-Käse. LIDL-Einkauf sei Dank
und so viel Spanien muss schon sein :)
Die Nacht auf unserem Rentner-Campingplatz war erwartungsgemäß sehr ruhig. Nach dem Frühstück wird gepackt und unter Beobachtung des gesamten Platzes verlassen wir dieses „Überwinterungs-Paradies“ ohne Wehmut.
400 Kilometer bis ins Ebro-Delta liegen vor uns. Dort hat es uns ja bereits auf unserer Anreise gut gefallen, so dass wir unsere Auszeit eben dorthin verlagern. Wir kommen am Sonntag auf nahezu leeren Straßen auch sehr gut voran.
Kurz vor Valencia dann plötzlich neben uns ein Fahrzeug der Guardia Civile. Die beiden Herren schauen prüfend auf unseren Mumin, dann geben sie Gas und fahren weiter. Doch dann schert die Polizei vor uns ein. Kurz leuchtet der Warnblinker einmal auf, rechts ein lässiger Wink aus dem Seitenfenster. Sieht eher aus, als würde jemand eine Zigarettenkippe aus dem Fenster schnipsen. Scheint wohl, dass die Herren etwas von uns wollen. An der nächsten Ausfahrt geht es runter von der Autobahn und wir folgen unauffällig. Dann an einem Kreisverkehr geben die Gesetzeshüter wieder Gas, preschen davon, biegen unter einer Brücke ab und hängen uns ab. Weg sind sie. Also waren wir wohl doch nicht gemeint. Wir kreiseln einmal um den Kreisverkehr herum und nehmen wieder die Auffahrt auf die Autobahn.
Es dauert nicht lange, dann hinter uns ein lautes Tatü-Tata, die Gendarmen überholen uns mit missmutigem Gesicht und auf dem Auto leuchtet so ziemlich alles, was leuchten kann. Öha- die meinen wohl doch uns. Mal sehen, was die beiden Herren an uns auszusetzen haben. Brav tuckern wir nun bis zur nächsten Tankstelle hinterher. Resolut werden wir auf einen Parkplatz gewiesen. Ausweise, Fahrzeugpapiere, Führerschein bitteschön. Dann aussteigen. Irgendetwas stört die Herren an unserer Fahrradbox. Doch die ist ordnungsgemäß beleuchtet und mit allen spanischen Täfelchen bestückt, die der Markt hergegeben hat. Dann der Hinweis, dass unser Außenspiegel defekt wäre. Wissen wir, aber strafbar ist auch das nicht.
Doch die Flucht vor der Polizeikontrolle – DAS kostet. Entschuldigen und den begriffsstutzigen Touristen geben nutzt nix. 200 Euro Cash auf die Hand. Soviel Bares haben wir momentan nicht zu bieten, aber die Herren akzeptieren Kreditkarte. Und weil Sonntag ist und wir willig sind zu bezahlen, reduziert sich der Betrag glatt um die Hälfte. 100 Euro und wir bekommen einen hochoffiziellen Strafzettel ausgestellt, auf dem all unser Sünden aufgelistet sind. Dann werden wir in Gnaden entlassen und wir fragen uns, wer jetzt die Banditos sind. Erst antäuschen, dann austricksen und schließlich abzocken. Nicht wirklich die feine Art und irgendwie fühlen wir uns ungerecht behandelt.
Auf den Schrecken gibt es erst einmal einen Kaffee. Und Merke: sobald ein spanischer Polizist auch nur mit der Augenbraue zuckt, meint er tatsächlich dich.
Wir sind noch leicht vergräzt über diese neuerliche Abzocke, dass wir wenig später Maren und Ralf aus unserer Heimat mit ihrem Opa Theo Rundhauber auf der Gegenspur fast übersehen. Die beiden sind unterwegs in Richtung Süden und wie ich später von Maren am Telefon erfahre, sind die beiden auch schon 100 Euro losgeworden. Wohl ein Versuch, die mautfreien Autobahnen zu subventionieren. Und das in Spanien – einem Land, das auf dem besten Wege war, uns richtig sympathisch zu werden.
Wir erreichen schließlich unseren auserkorenen Stellplatz im Ebro-Delta und der ist deutlich voller als bei unserem letzten Besuch. Viele Deutsche und Franzosen auf dem Weg zu ihren Überwinterungszielen. Wir gesellen uns dazu und beschließen, hier 2-3 Tage zu bleiben. Wir wollen uns die Region mit dem Rad genauer anschauen, die Wetterprognosen sind gut und jetzt im Winter tummeln sich hier im Delta auch etliche Zugvögel.
Zwei bis drei Tage wollten wir bleiben, fast eine Woche ist es geworden. Gar zu schön war es im Ebro-Delta und wir konnten die Zeit hier in vollen Zügen genießen.
Zum einen wurden endlich die Fahrräder aus der Box befreit. In Marokko hat nur Frank einige Male den Drahtesel benutzt, um Einkäufe zu erledigen. Insgesamt haben wir Marokko als eher wenig fahrradfreundliches Land erlebt.
Nun allerdings konnten wir bei schönem Wetter und angenehmen Temperaturen zwei entspannte Touren durch diese schöne Landschaft unternehmen. Die Wege hier sind bestens ausgeschildert und entlang der Lagunen gibt es immer wieder Aussichtsplattformen, von denen aus man die Vogelwelt beobachten kann. Das Ebro-Delta zählt zu den größten Reisanbaugebieten Europas. Jetzt im Herbst waren die Felder abgeerntet und Rückzugsgebiet für etliche Vogelarten. Reiher, Kibitz, Möwen und Co. Und noch dazu Hunderte von Flamingos. So viele auf einem Fleck versammelt haben wir tatsächlich noch nie gesehen. Und die rosafarbenen Vögel wechselten auch ihren Standort. Pünktlich in den Abendstunden kamen sie zu einer Wasserfläche genau hinter unserem Stellplatz. Und dann ging das Geschnatter bis in die Nacht hinein. Kaum zu glauben, welchen Krach die Tiere veranstalten können. Gegen Morgen haben sie dann ihre Plätze wieder verlassen um sich draußen in der Lagune niederzulassen. An unserem letzten Abend im Delta sind wohl auch die Flamingos weitergezogen, denn in dieser Nacht waren sie nicht mehr zu hören.
Kulinarisch ließen wir es uns ebenfalls gutgehen. Fisch, Krabben, Paella und natürlich der Reis des Deltas stehen hier auf der Speisekarte. Und es war wirklich SEHR lecker!
Das schönste an unserem Aufenthalt war jedoch eine Reisebegegnung der besonderen Art. Auf der Messe Abenteuer Allrad in Bad Kissingen hatten wir im Juni Connie, Hermann und „Sir“ Jack kennengelernt. Sie hatten mit ihren Expeditionsmobilen bereits eine lange Reise hinter sich und waren in Australien gestartet. Über Südkorea, die Mongolei und Russland kamen sie nach Europa und sind nun auf dem Weg nach Marokko.
In Spanien haben sich unsere Wege erneut gekreuzt und wir konnten eine wunderschöne gemeinsame Zeit verbringen. Mit langen Gesprächen, einigen Gläschen Wein und etlichen Reiseerlebnissen, die wir austauschten.
Ganz herzlichen Dank an euch für die gemeinsamen Tage, wir wünschen euch eine wunderbare Zeit in Marokko sowie allzeit gute Reise.
See you in Down Under 😉
Ja, und nun heißt es bereits "VIVE LA FRANCE". Wir sitzen in der Marina von "unserem" Gruissan in Südfrankreich, das im Winter so gänzlich anders ist als wir es kennen. Doch davon berichten wir dann das nächste Mal.
Ein wenig Savoir Vivre in Frankreich - Das Beste kommt zum Schluss (fast jedenfalls)