Das perfekte Sommerwetter ist uns weiterhin hold und heute ziehen wir weiter ins sog. „Heuscheuer-Gebirge“. Es liegt im Süden Schlesiens an der Grenze zu Tschechien. Wir finden gut wieder aus Breslau heraus und nehmen nun die B8 in Richtung Süden. Eine gut ausgebaute, aber auch sehr stark befahrene Fernstraße mit viel LKW-Verkehr. Es sind wieder mal halsbrecherische Überholer dabei – und so sind zwei Unfälle unterwegs auch nicht verwunderlich.
Eigentlich wollten wir in Zabkowice Slaskie abbiegen und auf der L385 über die Dörfer fahren. Gleich zu Beginn der Strecke ist jedoch eine Höhenbegrenzung von 2,70 Metern angezeigt, so dass wir sogleich wieder kehrt machen. Plan B führt uns über Klodzko in Richtung Kudova Zdroj. Zunächst steuern wir jedoch noch ein Einkaufszentrum an und stellen fest, dass wir die Schublade unter dem Herd bei der Abfahrt nicht verriegelt haben. Schöne Sch…. Frank kriegt es irgendwie wieder repariert, aber eine der Schienen ist wohl im Eimer. Wieder einmal Lehrgeld bezahlt.
Kurz hinter Klodzko biegen wir ab auf die L388 nach Radkow. Ab hier wollen wir nach einem Übernachtungsplatz suchen, um einen Wandertag im Heuscheuer-Gebirge einzulegen. Im kleinen Dorf Wambierzye biegen wir ziemlich unvorbereitet um die Ecke, durchqueren eine alte Durchfahrt und stehen vor einer barocken Wallfahrtskirche mit riesigem Treppenportal. Wie aus einem Munde entfährt uns ein „Boa hey….“ Wir sind erstmal platt und wollen uns dieses Bauwerk genauer anschauen. Direkt vor der Kirche wäre sogar Platz für den Mumin, doch da werden wir flugs verscheucht. Nur wenige Meter gibt es bei einem kleinen Restaurant einen gebührenpflichtigen Busparkplatz. Wir entrichten unseren Obolus und schauen uns das „schlesische Jerusalem“ genauer an. Seit 1250 wirkt die Albendorfer Madonna hier Wunder und wird entsprechend von den Pilgern gehuldigt.
Wir erklimmen noch den sog. „Ölberg“. Etliche Kalvarienkapellen säumen die Hänge rund um den kleinen Ort. Überall wird kräftig gebaut und modernisiert. Trotzdem ist ein Herr aus dem Osten, den wir zufällig treffen, mehr als unzufrieden. Er wurde wohl hier in der Nähe geboren und kennt die Kirche und den Ort aus früher Kindheit. Ihm ist alles zu verwahrlost und das „in so einem gläubigen Land wie Polen“, schimpft er. Er lässt kein gutes Haar an den Polen, wobei er alljährlich in einem der Kurorte der Region eine dreiwöchige Kur macht. So schlimm kann es also beim ehemaligen sozialistischen Nachbarn nicht sein. Nicht zum ersten Mal erleben wir bei ostdeutschen Urlaubern diese unzufriedene Einstellung. Für uns ist das Glas jedoch halb voll anstatt halb leer und wir finden diesen Ort mehr als beeindruckend.
Dann der nächste Schreck: eine weitere Brücke mit 2,70 Metern kreuzt die Straße. Jetzt wird es spannend, denn so langsam sind wir am Ende unseres Lateins. Während ich aussteige um die Lage zu sondieren und nach einer Möglichkeit zum Wenden suche, hält ein netter Pole an und erklärt Frank, dass die 2,70 Meter schon passen, wenn er im Bogen unter der Brücke durch fährt. Naja, 2,70 Meter scheinen hierzulande relativ zu sein. Frank fährt – ich schaue, der Verkehr hält an und siehe da, es passt. Ist sogar noch Luft nach oben.
Nun schrauben wir uns hinauf ins Heuscheuer-Gebirge. Dabei sondieren wir diverse Wanderparkplätze, aber der Brüller ist nicht dabei. Da wir nun in einem Nationalpark sind, sind alle Zufahrten in den Wald mit Schranken gesichert. In Karlow, dem Ausgangspunkt für Wanderer und Ausflügler auf die große Heuscheuer, dürfen wir nicht auf den Busparkplatz. Und auch die anderen Plätze im Ort sind nicht wirklich schön. Für 100 Zloty zwischen Baggern, Schotterhaufen und neben einem Ballermann-Restaurant - nein Danke. Wir fahren weiter und finden etwas außerhalb dann doch noch ein schönes Plätzchen. Hier richten wir uns häuslich ein, kochen uns ein Abendessen und spazieren noch auf einen nahen Aussichtspunkt, um den Sonnenuntergang zu genießen. Außerdem haben wir hier einen prächtigen Ausblick hinüber ins tschechische Sudetenland. Morgen wollen wir von hier aus einen Wandertag starten.
gefahrene Kilometer: 135 km
gelaufene Kilometer: 5,4 km
Die Sonne strahlt und heute ist ein Wandertag angesagt. Nach einem Frühstück im Wald marschieren wir los nach Karlow. Vorsichthalber entlang der Straße, da wir noch keine richtige Orientierung haben. Im Ort versorgen wir uns mit einer Wanderkarte und zwei süßen Stückle als Wegzehrung. Nun geht es zunächst weiter durch eine Touristenmeile mit Imbissbuden, Souvenirständen und einem Dinopark hinauf in Richtung großer Heuscheuer (982 Meter). Die Region mit ihren bizarren Felsformationen erinnert uns an das sächsische Elbsandsteingebirge. Und trotzdem ist es ganz anders. Jetzt ist erst einmal Frühsport angesagt. Über 682 Treppenstufen geht es bergauf. One Way - warum nur muss ich da an den Tempelberg mit den roten Torii in Kyoto (Japan) denken???
Mit uns sind noch einige Touristen mehr unterwegs.
Oben erwartet uns neben einer Gipfelbaude eine phantastische Aussicht mit einem Gedenkstein an den ehrenwerten "Herrn Geethe" (Goethe), der 1790 hier war. Der kluge Mann wusste eben, wo es schön ist auf dieser Welt.
Zurück geht es nun nur noch gegen einen Obolus von 7 Zloty. Man kommt also nur gegen Bares wieder vom Berg herunter, aber diese Investition lohnt sich absolut. Was uns erwartet ist Abenteuer pur. Über steile Felstreppen, durch enge Schluchten in denen sich noch der Schnee gehalten hat, zwischen Felsspalten hindurch, die so eng stehen, dass wir teilweise krabbeln müssen geht es zurück ins Tal. Für Dickleibige gibt es wohl auch eine Umleitung, die wir jedoch nicht gefunden haben. Somit meistern wir - und insbesondere unser Vierbeiner - diese Herausforderung. Ein spektakulärer Weg - keine Frage. Vorbei geht es auch immer wieder an Felsformationen, die sich da "Affe", "Elefant" oder "Rübezahls Stuhl" nennen. Unterwegs beobachten wir Kletterer, die die steilen Felswände erklimmen. Herausforderungen, die wir nicht unbedingt brauchen.
Unten angekommen, gibt's erst einmal ein wohlverdientes Eis bevor wir das restliche Stück Wegstrecke zum Wanderparkplatz zurück legen.
Der Tag ist noch zu jung, um ihn auf dem (schattigen) Waldparkplatz zu verbringen. Deshalb entschließen wir uns nach einer kurzen Regenerationspause zu Weiterfahrt. Es sind nur wenige Kilometer nach Kudova-Zdroj. Im dortigen Ortsteil Czermna soll es ein Freilichtmuseum geben, das wir uns gerne anschauen möchten. Wir spekulieren auch auf einen schönen, ruhigen Parkplatz zum Übernachten. Tatsächlich finden wir das Kleinod ganz am Ende des Tales an der Grenze zu Tschechien. Das Museum "Skansen Kudova-Zdroj" liegt ziemlich versteckt und lockt wohl deshalb kaum Besucher an. Als wir ankommen, ist es trotz des schönen Sonntags bereits ziemlich ruhig und wir dürfen uns auf dem (leicht schrägen) Parkplatz häuslich einrichten. Das Beste: in unmittelbarer Nachbarschaft liegt ein Ausflugslokal mit Forellenteichen. Hier kann man sich sein Abendessen entweder selbst angeln oder aber für wenig Geld eine Forelle frisch braten lassen. Wir entscheiden uns für Letzteres und weil es so lecker ist, verleiben wir uns gleich zwei der delikaten Fische ein. Eine direkt nach unsere Ankunft (anstatt Nachmittagskaffee) und die zweite, nachdem wir uns nach der Wanderung ein wenig frisch gemacht und in saubere Kleider geworfen haben. So geht ein perfekter Tag in einer ländlichen Idylle stimmungsvoll zu Ende.
Unser Übernachtungsplatz mit Blick auf das Freilichtmuseum "Skansen Kudova-Zdroj".
gefahrene Kilometer: max. 15 km
gelaufene Kilometer: 13 km
Höhenmeter 105 Stockwerke !!!
Nach einer wunderbar ruhigen Nacht sind wir die ersten Besucher im Freilichtmuseum. Es zeigt Gebäude der Region Schlesien und dem benachbarten Sudetenland und ist ein grenzübergreifendes Projekt. Die Gebäude sind mit viel Liebe zum Detail eingerichtet und da werden schon fast Kindheitserinnerungen wach. Wir haben ja bereits einige derartige Museen besucht, aber das hier ist wirklich ein Kleinod. In einem der Häuser wird gerade der Brotbackofen angeheizt und ein Bäcker zeigt, wie das Brot zu Laiben geformt wird. Leider sind mehr Mitarbeiter als Besucher hier und es ist zu hoffen, dass an diesem Sonntag Nachmittag noch einige Gäste den Weg in dieses abgeschiedene Idyll finden. Bei unserem Rundgang stellen wir übrigens fest, dass eine Hexe in ihrem Knusperhäuschen heute Nacht auf uns und den Mumin aufgepasst hat ;)
Fast etwas schwer fällt uns der Abschied von diesem schönen Fleckchen Erde. Der Übernachtungsplatz war zwar nicht unbedingt ein "Traumplatz", aber schön war's trotzdem
Auf unserer Weiterfahrt kommen wir noch an der sogenannten "Schädelkapelle" vorbei, wir uns noch anschauen möchten. Ein skurriler Ort, an dem zwei Geistliche die sterblichen Überreste von Toten aus Massengräbern in einem Beinhaus gesammelt haben, um ihnen ein "würdiges" Begräbnis zu ermöglichen. Die Knochen und Schädel stapeln sich vom Boden zur Decke und in der Krypta sind noch weitere Tausende von Knochen aufgebahrt. Wir empfinden den Ort fast ein wenig als touristische "Abzocke" - angefangen von den Parkplatzgebühren bis hin zum Eintritt. Von Pietät ist wenig zu spüren - aber ok. So ist das nun mal.
Weiter geht es nun vorbei an einigen altehrwürdigen Kurorten mit so klingenden Namen wie "Bad Reinerz" und "Bad Altheide" über Klodzko nach Zloty Stok (Reichenstein). Hier wollen wir uns die Goldmine anschauen. Ein touristischer Hotspot, der auch uns interessiert. Wir finden einen großen - und leeren - Parkplatz für den Mumin, auf dem wir auch übernachten können. Nach einer Kaffeepause machen wir uns auf den Weg und kommen gerade rechtzeitig zu einer der letzten Führungen. Die Besucherströme lassen also bereits nach, so dass wir uns in Ruhe umschauen können.
Schon seit dem 13. Jahrhundert wurde in der Gegend um Zloty Stok Gold gefunden und gefördert. Außerdem entdeckte ein Apotheker und Alchimist eine Methode, wie aus dem arsenhaltigen Erz Arsenit gewonnen werden konnte. Die Blütezeit der Mine war in der Zeit um 1612 und 1848. 1962 wurde die Förderung endgültig eingestellt und die Stollen verfielen. Seit 1996 entdeckte man das touristische Potenzial und nutzt das Ganze als eine Art "Freizeitpark" mit Klettergarten, Goldwasch-Camps etc.
Wir können im Rahmen einer (polnisch sprachigen) Führung zunächst den Gertrudenstollen besichtigen. Wir verstehen zwar nur Bahnhof, aber der Führer scheint sein Handwerk zu verstehen. Die Gäste haben jedenfalls alle ihren Spaß. Über diverse Stollen und Flöze mit Goldkammern geht es dann über eine Bergmann-Rutsche hinunter zum Ende des ersten Teils der Führung. Gemeinsam marschieren wir zum nächsten, sogenannten "Schwarzen Stollen". Hier ist die Hauptattraktion ein 8 Meter hoher Wasserfall sowie die Grubenbahn, die uns wieder hinaus ans Tageslicht bringt.
Inzwischen hat es begonnen, ein wenig zu regnen. Deshalb kehren wir noch auf ein Feierabend-Bier ein. Essen möchten wir bei den "Schni-Po-Sa"- Variationen eher nicht. Da bemühen wir die Campingküche. Wir verbringen eine ruhige Nacht auf dem Parkplatz und wollen morgen weiter nach Krakau. Der Volvo soll wieder einmal schnurren, denn rund 250 Kilometer liegen dann vor uns.
Unser Übernachtungsplatz in Zloty Stok. Nicht sehr charmant, aber ruhig und auf dem ehemaligen Gelände einer Zündholzfabrik.
gefahrene Kilometer: 65 km
gelaufene Kilometer: 6 km