Zum Auftakt in die Campingsaison 2015 hatten wir uns die Mitte Deutschlands ausgesucht. Zehn Tage waren wir unterwegs auf geschichtsträchtigen Spuren, zu kulturellen Schätzen und in grandioser
Natur.
Nach einem sehr turbulenten Start in das neue Jahr 2015, verbunden mit Grippewelle und Umzugsstress unserer Töchter, stand die Urlaubsplanung für den Start in die Campingsaison irgendwie an letzter Stelle. Relativ kurzfristig fiel dann die Entscheidung für Thüringen.
Frank hatte beruflich in der Nähe von Erfurt zu tun. Dort waren wir noch nie und somit kamen wir zu dem Entschluss, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden und gemeinsam mit dem Wohnwagen in die Mitte Deutschlands zu ziehen. Einen Campingplatz fanden wir in dem kleinen Dorf Weberstedt am Rande des Nationalparks Hainich. Hätte mich vorher jemand gefragt, wo das auf der Landkarte liegt - ich hätte keine Ahnung gehabt. Aber wir lernen ja gerne dazu und somit machen wir uns am Nachmittag des 25. März 2015 auf den 385 Kilometer langen Weg.
Die Anfahrt verläuft stress- und staufrei, so dass wir den ausgewählten Campingplatz gegen 18 Uhr erreichen. Schon die Anfahrt ist ein wenig abenteuerlich, denn die Gegend wird ab Gotha immer ländlicher, einsamer und
abgeschiedener. Irgendwie habe ich das Gefühl, ins berühmte "middle-of-nowhere" zu fahren. Umso überraschter sind wir, einen funkelnagelneuen Campingplatz vorzufinden, auf dem wir von einer sehr
netten Betreiberin freundlich begrüßt werden. Wir sind so ziemlich die einzigen Camper, die um diese Jahreszeit hier Station machen und können uns einen schönen Stellplatz selbst aussuchen. Um
uns herum herrscht himmlische Ruhe, wir haben einen sagenhaften Weitblick ins Thüringer Becken und am Rande des Nationalparks Hainich auch jede Menge Auslauf für unseren Vierbeiner. Nachdem wir
uns häuslich eingerichtet haben, gibt es Bärlauch-Pasta und Salat aus den Vorräten von zuhause und noch ein wenig TV. Dann geht's früh ins Bett, denn Frank muss morgen früh zur Arbeit
;)
Nach dem Frühstück verabschiedet sich Frank bis morgen. Ich nutze den etwas trüben Vormittag, um mich im Reiseführer für Thüringen einzulesen und ein wenig mehr über die Region, in der wir uns hier befinden zu erfahren.
Zunächst einmal sind wir hier in der 580-Seelen-Gemeinde Weberstedt im Unstrut-Hainich-Kreis am Ostrand des Nationalparks Hainich.
Zu Beginn des 9. Jahrhunderts wird Weberstedt in einem Verzeichnis der von Erzbischof Lullus († 786) von Mainz für das Klosters Hersfeld von Freien verliehenen Gütern erstmals urkundlich erwähnt.
Der Ort gehörte bis 1815 zum kursächsischen Amt Langensalza und nach seiner Abtretung an Preußen von 1816 bis 1944 zum Landkreis Langensalza in der Provinz Sachsen. [Quelle: Wikipedia]
Weberstedt hat als Sehenswürdigkeit das Schloss Goldacker vorzuweisen - ein ehemaliges Rittergut, in dem heute ein Landhotel untergebracht ist. Und die Ulrichs-Kirche aus dem 15. Jahrhundert.
Außerdem gibt es noch das "Trabi-Paradies" - eine private Sammlung der DDR-Autolegende.
Weberstedt ist aber auch Nationalpark-Gemeinde, denn direkt vor den Toren der Gemeinde beginnt der Nationalpark Hainich.
Der Nationalpark Hainich, der am 31. Dezember 1997 gegründet wurde, ist der 13. Nationalpark Deutschlands und der einzige in Thüringen. Eines der wichtigsten Ziele des 7500 Hektar großen Parks ist der Schutz des heimischen Buchenwaldes. Seit dem 25. Juni 2011 zählt der Nationalpark Hainich zum UNESCO-Weltnaturerbe Buchenurwälder in den Karpaten und alte Buchenwälder in Deutschland.....
Er liegt in Städtedreieck Eisenach–Mühlhausen–Bad Langensalza im Süden des etwa 160 km² großen Hainich, dem größten zusammenhängenden Laubwaldgebiet Deutschlands.
Im Nationalpark Hainich soll wieder ein mitteleuropäischer Urwald entstehen, in dem man der Natur freien Lauf lässt und die Flächen nicht bewirtschaftet. Aktuell umfasst dieser Nationalpark auf dem Gebiet ehemaliger Truppenübungsgebiete mit etwa 50 km² die größte nutzungsfreie Laubwaldfläche Deutschlands. [Quelle: Wikipedia]
Mit soviel Vorwissen ausgerüstet mache ich mich gegen Mittag gemeinsam mit unserem Vierbeiner auf die erste Erkundung. Der ausgeschilderte Rundwanderweg "Feensteig" beginnt direkt vor den Toren des Campingplatzes. Eine wunderschöne, rund 3 Kilometer lange Rundtour durch verschiedene Naturgebiete. Lichter Laubwald, dicht bemooster Urwald, feuchte Niederungen, in denen die Märzenbecher in voller Blüte stehen und am Ende ein schier undurchdringliches Labyrinth durch einen dunklen Tannenwald. Dazwischen immer wieder Hinweistafeln mit Auszügen aus Märchen und Mythen. Ein Feensteig voller Überraschungen eben. Den restlichen Nachmittag verbringe ich lesend und Kaffee trinkend vor dem Wohnwagen in der Sonne. Erst gegen 17 Uhr wird es merklich zu kühl und ich verziehe mich nach drinnen. Zum Abendessen gibt es eine regionale Spezialität aus DDR-Zeiten: Soljanka mit Brot. In der Nacht beginnt es zu regnen und es wird zunehmend windig.
Der Morgen ist sonnig, aber frostig kalt. Bei meiner vormittäglichen Runde mit unserem Fellmonster pfeift mir ein eisiger Wind um die Ohren. Das Kopfsteinpflaster der alten DDR-Straße ist spiegelglatt, so dass ich gleich in den windgeschützten Wald abbiege.
Während meines anschließenden Frühstücks kommt auch schon Frank zurück und wir können uns am späten Vormittag auf zu einer ersten Erkundungsfahrt in die Region machen.
Ziel ist Mühlhausen, die "steinerne Chronik Thüringens", wie im Reiseführer nachzulesen ist. Mehr als 400 Häuser stehen hier unter Denkmalschutz. Berühmter Sohn der Stadt ist Thomas Müntzer, Reformator und Führer des Bauernkrieges 1524/25. Ein auf den ersten Blick wirklich zauberhaftes Städtchen und wir schauen uns zuerst die Marienkirche an. Sie ist nach dem Erfurter Dom die zweitgrößte Hallenkirche Thüringens und heute Müntzergedenkstätte.
Der letzte Gerber der Stadt
Beim weiteren Streifzug durch die Stadt kommen wir eher zufällig in das noch ziemlich renovierungsbedürftige Gerberviertel Mühlhausens. Dabei entdecken wir den Hinweis auf eine Gerberei und werfen einen neugierigen Blick durch ein verstaubtes Fenster. Drinnen winkt uns jemand zu und Jürgen Stölcker, der letzte Gerber der Stadt - wenn nicht sogar ganz Thüringens - lädt uns zu einem Rundgang in sein Reich ein. Beim Eintreten fühlen wir uns zurückversetzt in ein längst vergangenes Jahrhundert. Felle von Waschbären und Füchsen hängen an Gestellen, auf Tischen stapeln sich flauschige Schaffelle, Wildschwein- und Rotwildfelle. Mittendrin der agile Senior, der uns bei einer ganz spontanen, privaten Führung nicht nur viel über seinen Beruf erzählt, sondern uns auch die noch allesamt funktionstüchtigen Maschinen aus vergangenen Zeiten präsentiert. Außerdem gibt er uns ganz private Einblicke in sein Leben und in die DDR-Geschichte. Toll und wer hätte gedacht, was so ein neugieriger Blick durch's Fenster alles bewirkt
Offizielle Führungen beim Gerber können übrigens über die Touristik-Information in Mühlhausen gebucht werden.
Inzwischen hat sich der Himmel zu gezogen und wir verlassen die Gerberei bei ungemütlichem Nieselregen. Nicht wirklich einladend, um weiter in der Stadt herum zu bummeln. Also setzen wir uns ins geheizte Auto und umrunden den Nationalpark Hainich - ehemals russisches Sperrgebiet in Grenznähe zur BRD - heute UNESCO Biosphärenreservat.
Über kleine Dörfer und durch das Tal der Werra, vorbei an Eisenach mit Blick auf die Wartburg erreichen wir Bad Langensalza. Dort legen wir im Supermarkt einen Einkaufs-Stopp ein und erstehen noch ein paar süße Stückchen für den Nachmittagscafé im Wohnwagen. Mittlerweile hat es auch aufgehört zu regnen und wir können danach noch eine Spazierrunde mit dem Hund einlegen.
Das Abendessen ist dann typisch schwäbisch mit Maultaschen von zuhause und Salat aus Thüringen
Am Morgen lacht die Sonne von einem wolkenlos blauen Himmel. Es scheint der schönste Tag für die nächste Zeit zu werden. Also werden heute die Wanderstiefel geschnürt und wir machen uns auf den etwa vier Kilometer langen Weg zum Baumkronenpfad. DIE Attraktion schlechthin im Nationalpark.
Unser Vierbeiner muss leider zuhause bleiben, denn er darf ohnehin nicht mit nach oben. Wir spazieren auf schönen Waldwegen ein Stück den Feensteig entlang und dann hinüber zur Thiemsburg, dem Nationalparkzentrum. Hier beginnt der Baumkronenpfad - ein wirklich tolles Erlebnis. Auf 40 Metern Höhe durchwandert man bei schönen Ausblicken und vielen Erklärungen die Wipfel des Buchenwaldes. Die Aussicht ist jetzt - da die Bäume noch unbelaubt sind - einfach phänomenal. Ich stelle mir den Anblick im Herbst bei buntem Laub jedoch ebenfalls sehr reizvoll vor.
An verschiedenen Stellen des Pfades können große und kleine Abenteurer auch in den Seilen klettern - ein Spaß für die ganze Familie, aber auch wir beiden "Alten" haben unsere Freude daran.
Nach unserer Exkursion über die Baumwipfel geht es zum Aufwärmen in das Forsthaus Thiemsburg. Trotz Sonnenschein sind wir vom kühlen Wind etwas durchgefroren und da kommt die heiße Bratwurstsuppe gerade recht.
Frisch gestärkt machen wir uns wieder auf den Rückweg und können nun neben zahlreichen Märzenbechern auch noch Schlüsselblumen und Leberblümchen bewundern.
In der kulinarischen Diaspora.......
Zurück am Campingplatz drehen wir erstmal unseren Wohnwagen auf die wind-abgewandte Seite. Für die nächsten Tage ist ordentlich Sturm vorhergesagt.
Am Abend machen wir uns auf den Weg, um die thüringische Küche im Ort Weberstedt zu testen. Drei Lokale gibt es: im ersten werden wir in einem rauchgeschwängerten Gastraum empfangen. Am Stammtisch tagen die Raucher, die Luft ist zum Schneiden. Hier zu Abend essen? Nein danke - da suchen wir lieber das Weite. Nur wenige Schritte entfernt das zweite Lokal: geschlossene Gesellschaft. Und das dritte Restaurant bietet außerhalb der Saison nur am Wochenende Mittagstisch. Mit knurrendem Magen geht es zu einer Odysee über die Dörfer. Selbst in Bad Langensalza werden wir nicht fündig - nur Pizza, Fast Food und Asia-Küche. Und das im Land von Thüringer Klößen und Bratwurst
Inzwischen hat es auch noch angefangen zu regnen und wir fahren mit leerem Magen zurück zum Campingplatz. Hier zaubern wir uns Bärlauch-Spaghetti aus dem Vorrat und bauen zu später Stunde sicherheitshalber noch unsere Markise ab. Draußen weht es inzwischen bereits ganz ordentlich.
In der Nacht kommen Regen und Sturm von quer. Zum Glück liegen wir in unserem Wohnwagen warm und im Trockenen. Zeit also für einen kulturellen Ausflug an Palmsonntag. Nach einem durch die Zeitumstellung etwas verspäteten Frühstück machen wir uns auf den Weg nach Eisenach zur Wartburg.
Hier hält sich der Besucher-Andrang durch das Schietwetter trotz Osterferien sehr in Grenzen. Nur wenige wagen bei Sturm und Graupelschauern den steilen Weg hinauf.
Umso herzlicher werden wir von unserem Führer begrüßt, der uns durch die Wartburg begleitet. Wir haben ja schon viel gehört und gesehen, aber was dieser Mann hier zeigt, ist wirklich toll. Selten haben wir so eine engagierte Führung erlebt und die Geschichte dieser 900 Jahre alten Burg wird so interessant und gleichermaßen unterhaltsam rübergebracht, dass wir noch Stunden hätten zuhören können. Wir fühlen uns zurückversetzt in die Zeit Elisabeth von Thüringens, Martin Luthers und der Studenten, die hier zum ersten Mal mit ihrem Ruf nach nationaler Einheit die schwarz-rot-goldene Flagge hissten. Wahrlich ein Nationaldenkmal, das da so hoch droben als Tor zum Thüringer Wald über der Stadt Eisenach thront.
Nach dem Rundgang durch Palas und Museum mit so viel Kultur und Geschichte haben wir uns eine Pause im Gasthof "für fröhliche Leut" redlich verdient. Ein heißes Brunnenkresse-Süpple, ein Schwarzbier, Kaffee und Kuchen - damit frisch gestärkt und aufgewärmt sind wir bereit für einen Spaziergang durch Eisenach.
Bei Regen, Kälte und Wind ist der Stadtbummel zwar kein wirkliches Vergnügen, aber die Jugendstil-Villen, das Bach-Haus und das Stadtschloss sind durchaus einen Blick wert. Immerhin entstand hier
in Eisenach zwischen 1862 und dem 1. Weltkrieg das größte zusammenhängende Villenviertel Europas mit Gebäuden des Jugendstils und Historismus.
Am späten Nachmittag machen wir uns schließlich auf den Heimweg und legen noch einen Stopp an einer Imbissbude mit echter, thüringer Rostbratwurst ein. Für den Fall, dass wir heute abend nix mehr zu essen bekommen sollten......
Weil das Wetter heute wider Erwarten gnädig sein soll, disponieren wir beim Frühstück um und entscheiden uns anstatt für Wellness für einen Besuch in der Landeshauptstadt Erfurt.
Wir machen uns auf den rund 45 Kilometer langen Weg und erreichen Erfurt am späten Vormittag. Mitten in der Stadt finden wir auf dem Dach eines Parkhauses ein ruhiges Plätzchen, so dass wir unseren Vierbeiner zur Bewachung von Parkdeck und Auto hier lassen können
Über den Anger und die Fußgängerzone erkunden wir die wunderschöne Altstadt Erfurts. Ein erster Graupelschauer und Vorboten des Orkans Niklas treiben uns in einen Einkaufstempel direkt am Anger 1. Hier kaufen wir zwar nichts ein, können aber schöne kunsthandwerkliche Stände mit Osterschmuck aus dem Erzgebirge bewundern.
Das usselige Aprilwetter begleitet uns durch den ganzen Tag. Sonne, Wind, Regen, Schnee - alles ist dabei, aber toll ist es hier trotzdem. Eine zauberhafte Stadt, schöne Plätze und Kneipen, Idylle rund um die Krämerbrücke und Trubel in den Fußgängerzonen. Alles überragt von dem imposanten Domberg. Ich denke, Erfurt ist eine Stadt mit hoher Lebensqualität.
Auf der Krämerbrücke erstehen wir noch leckere Schokolade als Mitbringsel für zuhause, Gewürze und natürlich Senf für die Bratwurst. Und weil wieder ein Schneesturm-Intermezzo droht, fliehen wir zum Abschluss unseres Bummels noch in ein uriges Café mit leckeren Torten.
Der Rückweg nach Weberstedt ist dann ein kleines Abenteuer. Orkan Niklas gewinnt an Stärke und kurzzeitig fahren wir sogar auf einer schneebedeckten Fahrbahn. Wetterkapriolen pur.
In Bad Langensalza stocken wir sicherheitshalber noch unseren Proviant für die nächsten Tage auf und machen es uns für den Rest des Tages im Wohnwagen gemütlich.
Sturmtief Niklas hat Deutschland voll im Griff und auch für Thüringen gelten Unwetterwarnungen. In der Nacht sind uns schon dicke Äste um die Ohren bzw. um den Wohnwagen geflogen und wir fragen uns beim Frühstück, ab welcher Windstärke ein Wohnwagen kippt ......
Also ergreifen wir besser die Flucht und suchen die wohlig warme Therme in Bad Langensalza auf.
Bad Langensalza ist eine Kurstadt im Unstrut-Hainich-Kreis in Thüringen (Deutschland). Sie ist nach der Kreisstadt Mühlhausen die zweitgrößte Stadt im Kreis und bildet das Mittelzentrum für dessen südöstlichen Teil sowie für einige Gemeinden im nördlichen Landkreis Gotha.
Bad Langensalza gehört zu den historisch bedeutendsten Städten im Thüringer Becken, wovon die reichhaltige historische Bausubstanz in der Altstadt zeugt. Sie ist mit einer ummauerten Fläche von gut 50 Hektar nach denen der Nachbarstädte Erfurt und Mühlhausen die drittgrößte Altstadt in Thüringen. Als eine der Waidstädte war Bad Langensalza sehr wohlhabend, sodass große Kirchen und eine mächtige Stadtmauer aus Langensalzaer Travertin, der direkt im Südwesten der Altstadt abgebaut werden konnte, errichtet wurden. Seit 1990 wurde die Altstadt zu einem großen Teil restauriert.
Später wurden in der Stadt Heilquellen erschlossen, die bis heute dem Kurbetrieb dienen. Damit einher ging die Anlage mehrerer Parks, wie Rosengarten und Japanischer Garten. [Quelle: Wikipedia]
Die Gärten, für welche Bad Langensalza berühmt ist, stecken leider noch im Winterschlaf und haben zum größten Teil geschlossen. Offen ist jedoch die Frederickentherme, der unser heutiger Besuch gilt. Am späten Vormittag ist es noch ziemlich ruhig hier und wir können Rosensauna, Solebad und Co. im Warmen entspannt genießen. Draußen stürmt es dagegen ziemlich heftig weiter, aber wir überstehen das Orkantief dann doch unbeschadet.
So ganz unbegründet war unsere gestrige Sorge um einen gekippten Wohnwagen wohl nicht, wie ein Blick am Morgen in die Tageszeitung zeigt.!!!
Der morgendliche Blick nach draußen versetzt uns einen Schreck: es ist weiß. Somit werden wir mal wieder unfreiwillig zu Wintercampern und kurzzeitig kommt der Gedanke auf, unsere Siebensachen zu packen und die Heimreise anzutreten.
Dann siegt jedoch Weimar und wir starten auf den 70 Kilometer langen Weg in die Stadt der Klassiker. Dort scheint die Sonne und wir ergattern sogar noch eine der wenigen Tageskarten für die Anna-Amalia-Bibliothek. Wer kommt bei diesem Wetter auch schon auf die Idee für kulturelle Ausflüge ???
Ein Rundgang durch die wunderschöne Stadt bei kaltem Wind bringt uns vorbei an Goethes und Schillers Wohnhäusern, am Nationaltheater, an einem Wurst-Imbiss und in eine wunderschöne Boutique, wo
ich ganz zufällig einen schicken Mantel erstehe ;)
Die Anna-Amalia-Bibliothek ist schließlich der Höhepunkt des Tages. Im Reiseführer steht zu lesen, dass Eintrittskarten für Einzelpersonen besser lange Zeit im Voraus zu buchen sind. Umso mehr freuen wir uns natürlich, spontan eine Karte zu ergattern.
Die Herzogin Anna Amalia Bibliothek ist eine Forschungsbibliothek für Literatur- und Kulturgeschichte mit besonderem Schwerpunkt auf der deutschen Literatur von der Aufklärung bis zur Spätromantik. Bei einem verheerenden Brand im September 2004 wurde der Dachstuhl zerstört und mit ihm etliche wertvolle Bücher durch Hitze und Löschwasser beschädigt. Allerdings konnten während des Brandes auch 28.000 Bücher gerettet werden, darunter eine Luther-Bibel aus dem Jahr 1534. Im Jahr 2007 konnte die Bibliothek wieder eröffnet werden.
Die Restaurierungsarbeiten sind heute in einer sehenswerten Ausstellung dokumentiert. Highlight ist jedoch der Rokkokosaal, den wir nur in Filzpantoffeln betreten dürfen.
Nach diesem kulturellen Highlight steht noch ein weiterer Besuch in Weimar an. Was uns bis zu unserer Reise nach Thüringen überhaupt nicht bewusst war ist die Tatsache, dass gleich vor den Toren Weimars das ehemalige KZ Buchenwald liegt. Eher zufällig lesen wir davon im Reiseführer und obwohl wir historisch interessiert sind, war dies geographisch bei uns nicht verortet. Kaum zu glauben, dass hier der Freigeist der Klassiker und das Grauen der NS-Zeit so nah beieinander liegen. Der Besuch der Anlage gehört deshalb fast schon zum Pflichtprogramm, zumal der 70. Jahrestag der Befreiung des KZs in wenigen Tagen bevor steht und am selben Abend im TV der Film "Nackt unter Wölfen" mit einer anschließenden Dokumentation über das KZ gezeigt wird.
Wir sind gleichermaßen beeindruckt wie auch deprimiert, als wir die Ausmaße der Anlage auf dem Ettersberg wahrnehmen. Kurzfristig können wir uns noch einer Führung anschließen. Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter der Gedenkstätte bringt uns die Geschichte sehr eindrücklich nahe, so dass wir diesen Ort tief bewegt in der Hoffnung verlassen, dass solche Gräueltaten nie wieder begangen werden. Nicht in unseren Breitengraden und nirgendwo sonst auf der Welt.
Die Rückfahrt durch Schneeschauer verläuft dann auch eher schweigsam und nachdenklich.
Trotzdem lassen wir diesen in mehrfacher Hinsicht beeindruckenden Tag mit einem Abendessen im Forsthaus Thiemsburg ausklingen und bekommen endlich die Thüringer Küche bei Rostbrätl und Bratwurstschnecke auf Kraut zu verkosten.
"Es schneielet, es beielet, es goht en kalder Wend" (frei nach Wolle Kriwanek)
Zum Frühstück gibt es am Gründonnerstag plötzlich starken Schneefall. Der nächtliche Dauerregen verwandelt sich in dicke Flocken und innerhalb kürzester Zeit ist es draußen weiß. Im Radio wird sogar vermeldet, dass im Thüringer Wald mehr Schnee liegt als an Weihnachten. Die Autobahnen und diverse Bundesstraßen sind gesperrt wegen quer stehender Fahrzeuge. Also kommt auch für uns eine Abreise nicht in Frage - wir sitzen quasi fest. Warum fällt mir da nur dieser Spruch "Ist es grün zur Weihnachtsfeier, schneit es auf die Ostereier" ein ???
Da hilft nur eines - wir fahren wieder in die Frederickentherme nach Bad Langensalza. Hier lassen wir es uns noch einmal im Warmen bei einer Massage und in der Sauna gut gehen. Draußen jagt ein Graupelschauer den anderen - Aprilwetter in Perfektion.
Zum Abendessen werden schließlich die allerletzten Reste von zuhause in Form von gefüllten Paprika gekocht.
Nach einer eisig kalten Nacht - das Thermometer zeigt MINUS 10 Grad - der Schreck in früher Morgenstunde: unsere Gasreserven sind aufgebraucht und das an Karfreitag. Guter Rat ist kurzfristig teuer, denn ohne Gas, keine Wärme, kein Kaffee zum Frühstück, einfach nix.....
Zum Glück kann uns die nette Campingplatzchefin aus der Patsche helfen. Sie hat genügend Gasflaschen in Reserve und damit sind der Tag und das Frühstück gerettet :)
Weil die Wetterprognose für heute mal halbwegs trocken vorhersagt und wir gestern abend im TV eine Dokumentation auf MDR über die Gebirge Mitteldeutschlands vom Harz bis nach Zittau gesehen hatten, starten wir heute zu einer letzten Ausflugsfahrt.
Der ursprüngliche Plan zur Gedenkstätte "Point Alpha" in Geisa zu fahren, wird sehr, sehr kurzfristig zugunsten des Kyffhäuser-Gebirges und des dortigen Kaiser-Wilhelm-Denkmals verworfen.
"Der Kyffhäuser ist ein Mittelgebirge südöstlich des Harzes im Thüringer Kyffhäuserkreis sowie im sachsen-anhaltischen Landkreis Mansfeld-Südharz, das eine Höhe von bis 473,6 m ü. NN erreicht und sich über rund 70 km² erstreckt.
Seine höchste Erhebung ist der Kulpenberg, auf dem seit den 1960er Jahren der Fernsehturm steht. Auf einem Bergvorsprung im Nordosten befinden sich die Ruinen der Reichsburg Kyffhausen, die Ende des 19. Jahrhunderts durch das Kyffhäuserdenkmal zu Ehren Kaiser Wilhelms I. ergänzt wurden.
Während ein Großteil des Kyffhäusers mit Wald bedeckt ist, fallen an seinem Süd- und Westrand unbewaldete Hänge auf. Das Fehlen von Wald resultiert aus einem Mangel an Grundwasser des sehr gipshaltigen und stark verkarsteten Untergrunds. Der Kyffhäuser ist auch Namensgeber des Geoparks Kyffhäuser, der neben dem Kyffhäusergebirge noch weitere Gebiete im Westen, Süden und Osten umfasst." [Quelle: Wikipedia]
Über kleine Dörfer und die Musik- und Bergstadt Sondershausen erreichen wir nach rund 80 Kilometern das Monumental-Denkmal. Die Dimensionen dieses Bauwerkes sind auf den ersten Blick atemberaubend. Das 81 Meter hohe Denkmal (auch Barbarossa-Denkmal genannt) wurde von 1890 bis 1896 zu Ehren Kaiser Wilhelms I. errichtet und ist nach dem Völkerschlachtdenkmal in Leipzig und dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica das drittgrößte Denkmal Deutschlands.
Ein wahrlich beeindruckendes Bauwerk, das Weltkriege, Nationalsozialismus und DDR überdauert hat.
Nach dem obligatorischen Bratwurst-Imbiss geht es weiter nach Bad Frankenhausen. Die Kurstadt hat nicht nur einen schiefen Turm, sondern kann auch mit einem anderen Monumentalbau aufwarten: ein Historienbild, welches den Thüringer Bauernaufstand 1525 ebenso zeigt wie viele Bildszenen aus dem Alltagsleben dieser Zeit. Unter anderem sind darauf Martin Luther und Albrecht Dürer zu erkennen. Das Panoramabild mit einer Höhe von 14 Metern und 123 Metern Länge gilt als das größte Ölgemälde der Welt.
Schiefer Turm und Monumentalbild müssen allerdings auf uns verzichten. Wir genehmigen uns hier nur einen Kaffee mit frisch gebackenen Waffeln und machen uns dann auf den Rückweg nach Weberstedt. Dort packen wir unsere Siebensachen für die morgige Heimreise und zum Abschluss gibt es noch ein Fischessen mit Forelle und mediterranem Lachs im Forsthaus Thiemsburg. Ein würdiger und schöner letzter Urlaubstag, der uns sogar noch einen tollen Sonnenuntergang beschert.
Bei Sonnenschein treten wir heute die 360 Kilometer lange Heimreise an. Diesmal wählen wir die Strecke über die Bundesstraße und den Thüringer Wald, um bei Zella-Mehlis auf die Autobahn zu fahren. Auf den Höhen ist es noch richtig winterlich und die Skilifte sind kurzfristig länger in Betrieb als vorgesehen. Der Wintereinbruch an Gründonnerstag brachte hier mehr Schnee als an Weihnachten......
Gegen 16.00 Uhr erreichen wir unsere Heimat, wo es zur Abwechslung regnet.... Nun können wir die Osterfeiertage entspannt zuhause ausklingen lassen.
Unser Reisefazit für Thüringen:
Sieht man von den teilweise recht unwirtlichen Wetterverhältnissen einmal ab, hat uns diese Reise nach Thüringen in vielerlei Hinsicht sehr gut gefallen.
Da waren zunächst einmal die Menschen, die wir getroffen haben. Alle ausnahmslos sehr hilfsbereit, gastfreundlich, spontan und sie haben uns sehr interessante Einblicke in die Geschichte ihrer Region gegeben.
Die Region selbst ist unglaublich kultur- und geschichtsträchtig. Mehr als einmal hinterließen die Schätze des Landes tiefe Eindrücke bei uns. Auch die dunklen Kapitel der Geschichte lassen sich hier nachvollziehen und bewegten uns zutiefst.
Darüber hinaus punktet Thüringen auch mit einer wunderschönen Natur. Der Nationalpark Hainich ist ein herrliches Wanderrevier und nur wenige Kilometer entfernt können im Tal der Werra Kanu- und Radtouren unternommen werden.
Finde ich eigentlich auch einen Kritikpunkt??? Nein - nicht wirklich. Einzig die kulinarische Diaspora rund um Weberstedt wäre vielleicht verbesserungsfähig. Es sei denn, man steht auf die DDR-Küchenklassiker Würzfleisch, Soljanka und Ragout Fin ;)